„Manche können auch sehr professionell damit umgehen, dass wir sie öffentlich kritisieren und trotzdem reden wir sehr gut und auch inhaltlich miteinander. Andere sind manchmal ein bisschen eingeschnappt.“
Martin Kaiser
Höre den MachtWas!?! Podcast auf Apple Podcast, Spotify, Google Podcasts, Pocket Casts oder Deezer.
Martin Kaiser über Lobbyismus, den Kampf nach Aufmerksamkeit und die Zukunft von Greenpeace
Martin Kaiser, der Geschäftsführer von Greenpeace Deutschland ist im MachtWas!?!-Podcast zu Gast. Seit dreißig Jahren ist der gelernte Förster und Geoökologe Aktivist und das in den letzten zwanzig Jahren offiziell bei Greenpeace.
Im Podcast spricht Martin Kaiser über Plastik, Erderwärmung, Genfood, Wohlstand, Verkehrspolitik und Artensterben. Außerdem geht es darum, wie Greenpeace arbeitet: Von „halblegalen“ Nacht-und-Nebel-Aktionen bis zum Alltagslobbyismus in Berlin und Brüssel.
Warum es nicht gut ist, wenn die Windschutzscheibe im Sommer sauber bleibt
Greenpeace hat 27 Büros weltweit. Das deutsche Büro erhält die meisten Spenden. Martin Kaiser betont, dass eine globale Herausforderung nur von global agierenden Organisationen bestritten werden kann. So blicke Greenpeace momentan mit Sorge darauf, wie sich die brasilianische Agrarindustrie in das Amazonasgebiet „vorfrisst“ und dort immenses Artensterben verursacht.
Aber starben Arten nicht schon immer aus? Dieses Mal sei alles anders, erklärt Martin Kaiser im Podcast. Wenn ganze Ökosysteme kollabieren, bemerke man das Insektensterben nicht mehr nur an der insektenfreien Windschutzscheibe des Autos.
„Das sind jetzt Zeitabläufe weniger Jahrzehnte, in denen unsere Insektenmasse in Deutschland um 70 Prozent abgenommen hat. Das ist nicht vergleichbar mit den historischen Aussterberaten, die es im Zuge der Evolution mal gab.“
Martin Kaiser
Neben dem Artensterben und der Erderwärmung spricht Martin Kaiser auch vom dritten großen Thema: Plastik. So sei er selbst bereits an philippinischen Stränden zwischen, vom Meer angeschwemmten, Plastikmüll umhergewatet.
„Wir haben es weltweit mit einem Export von Plastikmüll zutun und die Leidtragenden sind dann vor allem auch die Menschen in Asien.“
Martin Kaiser
Kein Gespräch ohne vorherige Aufmerksamkeit
Wie arbeitet Greenpeace? Martin Kaiser sagt, dass Greenpeace mit friedlichen Protesteten Aufmerksamkeit generiere, um anschließend mehr Druck ausüben zu können. Ohne eine Kampagne bekomme man eben keinen Termin mit Vertreterinnen beispielsweise der Automobilindustrie.
„Auch bei der Wirtschaft hilft es nicht, zu den Vorstandsetagen gehen zu wollen und zu sagen: ‚Sie haben da ein Problem!‘ Sondern die handeln wirklich erst dann, wenn sie einen öffentlichen Druck verspüren.“
Martin Kaiser
Michael möchte wissen, wie wichtig die politische Lobbyarbeit für Greenpeace ist. Im Podcast verrät Martin Kaiser, dass man sich bei der Bundeskanzlerin schon über einen Termin pro Jahr freue. Der Kontakt zu Ministern und Politikerinnen wäre aber unkomplizierter: „Die reden auch mit uns und das ist auch sehr gut. Manche können auch sehr professionell damit umgehen, dass wir sie öffentlich kritisieren und trotzdem reden wir sehr gut und auch inhaltlich miteinander. Andere sind manchmal ein bisschen eingeschnappt.“
Manche Gegner würden einem sofort entgegenkommen, leider nicht immer auf die gewünschte Weise.
„Was ich wirklich schon erlebt habe, dass wir mit einer Aktion vor einem Wirtschaftsunternehmen stehen und die dann als ersten Schritt mal rauskommen und einen Kaffee oder irgendetwas zu essen anbieten. Wo wir dann ablehnen, weil wir haben ja ein Anliegen, was ein ganz anderes ist.“
Martin Kaiser
Wie Greenpeace im Kampf um Aufmerksamkeit nicht untergehen möchte
Wie behauptet man sich auf dem Markt der Aufmerksamkeitsökonomie? Greenpeace müsse nicht mehr allein auf Aktionen und Pressevertreter setzen, erklärt Martin Kaiser. Als Greenpeace zuletzt der CDU das „C“ von der Parteizentrale gestohlen hat, habe man anschließend einen kleinen Schlagabtausch auf Instagram gehabt: Das generiere Reichweite. Allerdings gebe es auch viele Aktionen, die im Medienzirkus untergingen.
„Natürlich, wir sind maßgeblich auch davon abhängig, diese Öffentlichkeitsfenster zu besetzen und dann auch zu nutzen.“
Martin Kaiser
Martin Kaiser verrät, dass eine von ihm geplante Pressekonferenz am 11. September 2001 schnell in den Hintergrund geraten ist und wie er ähnliche Mechaniken auch im Zusammenhang mit Covid-19 bemerkt habe.
Viele junge Aktivistinnen von Greenpeace seien auch bei FridaysForFuture aktiv. Martin Kaiser sieht hier vor allem Potential für eine Zusammenarbeit und keine Konkurrenz: „Ich glaube diese Generationenverantwortung, die alte Generation die Entscheidungen trifft zu Lasten einer jungen Generation. Das haben die so gut auf den Punkt gebracht.“
Worauf liegt der Fokus in der Zukunft?
Martin Kaiser habe dafür gesorgt, dass man sich bei Greenpeace mehr auf bestimmte Themen konzentriert: u.a. Erhaltung des Amazonas, Billigfleisch, Kohleausstieg.
„Als ich vor etwa vier Jahren meine Position als Geschäftsführer angefangen hab‘, haben wir zu 24 Themen gearbeitet. Und da habe ich gesagt: ‚Leute, das ist zu viel. Wir müssen uns konzentrieren.‘“
Martin Kaiser
Im Podcast spricht Martin Kaiser über die erste Aktion der Organisation 1971: Eine Kampagne gegen Atombombenversuche in Alaska. Auf das „Peace“ möchte man sich auch in Zukunft mehr konzentrieren. Martin Kaiser und Michael überlegen, wie Gerechtigkeit dem globalen Klimaschutz entgegen steht. Wie kann man mit dem Dilemma umgehen, dass der zunehmende Wohlstand von Schwellenländern auch mit einem Ressourcenverbrauch einhergeht? Für Martin Kaiser sei das die Herausforderung des aktuellen Jahrzehnts.
Ein anderes großes Thema ist die Verkehrspolitik. Diese würde fälschlicherweise oft mit „Autopolitik“ verwechselt werden.
„Ich würde mir wünschen, dass VW und Daimler in zehn Jahren Mobilität anbieten und nicht mehr für den Verkauf von Autos stehen.“
Martin Kaiser
Martin Kaiser spricht sich im Podcast für Mobilitätskonzepte aus, die nicht auf das Elektroauto angewiesen sind. In der Stadt müsse man kein Auto haben: „Die meisten Autos stehen ja 95 Prozent der Zeit sowieso nur herum, werden nicht gefahren.“ Dort, wo man aber auf Individualverkehr angewiesen ist, sei das Elektroauto jederzeit dem Verbrennungsmotor vorzuziehen.
Abschließend gibt Martin Kaiser noch einen Ausblick auf die nächsten zwölf Monate in Deutschland.
Zitate:
00:04:35 „Unser Anliegen war natürlich: ‚Wie kann es schnell genug gelingen?‘ Dass wir die Ziele des Pariser Klimaabkommens dann auch einhalten.“
00:08:24 „Das sind jetzt Zeitabläufe weniger Jahrzehnte, in denen wirklich 70 Prozent unserer Insektenmasse in Deutschland abgenommen hat. Das ist nicht vergleichbar mit den historischen Aussterberaten, die es im Zuge der Evolution mal gab.“
00:10:45 „Wir haben es weltweit mit einem Export von Plastikmüll zutun und die Leidtragenden sind dann vor allem auch die Menschen in Asien.“
00:13:30 „Auch bei der Wirtschaft hilft es nicht zu den Vorstandsetagen gehen zu wollen und zu sagen: ‚Sie haben da ein Problem!‘ Sondern die handeln wirklich erst dann, wenn sie einen öffentlichen Druck verspüren.“
00:16:35 „Die reden auch mit uns und das ist auch sehr gut. Manche können auch sehr professionell damit umgehen, dass wir sie öffentlich kritisieren und trotzdem reden wir sehr gut und auch inhaltlich miteinander. Andere sind manchmal ein bisschen eingeschnappt.“
00:20:50 „Natürlich, wir sind maßgeblich auch davon abhängig, diese Öffentlichkeitsfenster zu besetzen und dann auch zu nutzen.“
00:25:35 „Ich glaube diese Generationenverantwortung, die alte Generation die Entscheidungen trifft zu Lasten einer jungen Generation. Das haben die so gut auf den Punkt gebracht.“
00:29:57 „Was ich wirklich schon erlebt habe, dass wir mit einer Aktion vor einem Wirtschaftsunternehmen stehen und die dann als ersten Schritt mal rauskommen und einen Kaffee oder Irgendetwas zu essen anbieten. Wo wir dann ablehnen, weil wir haben ja ein Anliegen, was ein ganz anderes ist.“
00:33:15 „Als ich vor etwa vier Jahren meine Position als Geschäftsführer angefangen hab‘, haben wir zu 24 Themen gearbeitet. Und da habe ich gesagt: ‚Leute, das ist zu viel. Wir müssen uns konzentrieren.‘“
00:45:45 „Ich selber war auch eingeladen bei der Jungen Union. Habe dort mit der Jungen Union diskutiert, genauso diskutiere ich mit den Grünen. Und da geht’s auch kontrovers zu.“
00:49:54 „Die meisten Autos stehen ja 95 Prozent der Zeit sowieso nur herum, werden nicht gefahren.“
00:53:00 „Das Öl ist nach der Kohle jetzt die nächste große Baustelle.“
00:53:24 „Ich würde mir wünschen, dass VW und Daimler in zehn Jahren Mobilität anbieten und nicht mehr für den Verkauf von Autos stehen.“