„Eigentlich jegliche Maßnahme, die Katar trifft, – zum Beispiel auch die Ausrichtung der WM – dient dazu, sich vor externen Bedrohungen zu schützen.“
Sebastian Sons
Höre den MachtWas!?! Podcast auf Apple Podcast, Spotify, Google Podcasts, Pocket Casts oder Deezer.
Sebastian Sons über die WM in Katar, westliche Doppelmoral und die Beziehung zwischen Europa und den Golfstaaten
In dieser Podcastfolge ist Sebastian Sons zu Gast. Er hat Islamwissenschaften studiert, ist Autor und beschäftigt sich wissenschaftlich mit den Golfmonarchien. Seine Forschungen liefern Entscheidungsträgern in der Politik notwendiges Know-How und geben beispielsweise Einblick in gesellschaftliche Veränderungsprozesse, die Rolle des Sports und Außen- und Sicherheitspolitik.
Im Gespräch mit Host Michael beantwortet er unter anderem, wie sich die Beziehung zwischen Europa und den Golfstaaten verbessern kann und ob Deutschlands Gaslieferabkommen mit Katar vertretbar ist. Außerdem blicken die zwei auf die vergangene WM und Sons erläutert, warum im Nahen Osten so viel in den Fußball investiert wird und wie er die kritischen Reaktionen im Westen bewertet.
Die wichtigsten Timecodes dieser MachtWas!?!-Folge:
- 00:02:25: Vorstellung Sebastian Sons
- 00:07:51: Überblick der Golfstaaten
- 00:22:05: Rolle von Religion in den Monarchien
- 00:28:28: Konflikt junger Menschen in der Golfregion
- 00:35:47: Vereinbarkeit von wirtschaftlicher Zusammenarbeit und demokratischen Werten
- 00:43:11: Netzwerke der Golfstaaten und die Rolle von Terrorismus
- 00:48:51: Warum investieren Golfmonarchien in den Sport?
Wichtige Staaten in der Golfregion
„Die Verfügbarkeit von fossilen Ressourcen bestimmt auch darüber, wie wohlhabend, wie einflussreich und wie mächtig die Golfstaaten sind.“
Sebastian Sons
Im Fokus der Auseinandersetzung mit den Golfstaaten stehen Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate, die aufgrund ihrer politischen, wirtschaftlichen und militärischen Rolle global am bedeutendsten sind. Entgegen dem oft oberflächlichen Blick von Außen, der die Golfmonarchien gerne über einen Kamm schert, beschreibt Sons die Systeme als sehr heterogen mit unterschiedlichen Gesellschafts- und Herrschaftsstrukturen, Demographien, usw.
Debatte über die WM in Katar
Den eher eindimensionalen Blick nimmt Sons auch in Hinblick auf die WM-Debatte wahr. Seiner Meinung nach habe es im Westen kaum eine differenzierte Einschätzung gegeben, weil die Mehrheit die Entwicklungen vor Ort gar nicht kenne. Unser Experte erklärt, dass Unsicherheit in den Golfstaaten eine große Rolle spielt, weil die Regionen stark von Krisen und Kriegen geprägt sind. Er sagt: „Menschen vor Ort ist erst einmal daran gelegen, dass sie Sicherheit garantiert bekommen und für sie sind Monarchien der einzige Garant für Sicherheit. Für viele von ihnen.“ Jegliche Maßnahmen – zu denen er auch die Ausrichtung der WM zählt – würden seiner Meinung nach zum Schutz vor externen Bedrohungen dienen.
Vertrauensverlust in den Westen
„[Die Golfstaaten] haben in den letzten Jahren zunehmend das Vertrauen in den Westen verloren, dass der Westen wirklich mit Ehrlichkeit die Werte vertritt, die er auch hochhält.“
Sebastian Sons
Experte Sons erläutert, dass sich Ereignisse wie die Aufteilung des Nahen Ostens nach dem zweiten Weltkrieg, der Sturz Saddam Husseins und die Invasion Afghanistans im kollektiven Gedächtnis der Golfmonarchien eingeprägt haben. Dies habe zur Folge, dass wenig Vertrauen in die Werte des Westens besteht und dass man sich missverstanden und wirtschaftlich ausgebeutet fühlt. Wie kann zukünftig also eine bessere Zusammenarbeit gelingen? Denn laut Sons haben die Golfmonarchien global so stark an Wichtigkeit gewonnen, dass man sie nicht ignorieren kann. Er hält es für notwendig, die Staaten nicht als ,Selbstbedienungsladen‘ zu betrachten und auch nicht als ,Experimentierfeld‘, um Demokratien durchzusetzen. Stattdessen sollten wir schauen, in welchen anderen Bereichen sich zumindest einen Teil unserer Werte gemeinsam umsetzen lassen: etwa Klimawandel, Jugend- und Frauenförderung, Bildung usw. Insgesamt sei es notwendig, den Austausch von Kulturen zu fördern, um gegenseitiges Verständnis zu erlangen, und in einen kritischen und respektvollen Dialog zu treten.
Zitate:
00:09:35: „Die Verfügbarkeit von fossilen Ressourcen bestimmt auch darüber, wie wohlhabend, wie einflussreich und wie mächtig die Golfstaaten sind.“
00:13:08: „Das führt dann oftmals eben dazu, dass wegen dieser fehlenden Differenzierung der ein oder andere Blick dann auch zu eindimensional wird.“
00:14:29: „Wenn wir uns jetzt erst mal die Golfregionen im weltweiten Vergleich anschauen und das ein bisschen historisch einordnen, dann sind die Golfstaaten grundsätzlich erst mal pro westlich ausgerichtet.“
00:15:22: „Ich will damit erst mal nur verdeutlichen, dass ein Land wie Saudi-Arabien trotz vieler kultureller, religiöser und gesellschaftlicher Unterschiede zu den USA aus pragmatischen und sicherheitspolitischen Gründen die Nähe zu den USA gesucht hat.“
00:18:18: „Saudi Arabien, Katar, die Emirate investieren sehr stark in den Tourismus, in die Unterhaltungsbranche, in den Sport, in die Kultur und sind deswegen auch Rivalen und stehen in wirtschaftlicher Konkurrenz miteinander.“
00:21:05: „Eigentlich jegliche Maßnahme, die Katar trifft, – zum Beispiel auch die Ausrichtung der WM – dient dazu, sich vor externen Bedrohungen zu schützen.“
00:22:23: „Religion spielt grundsätzlich erst mal für alle dies Gesellschaften eine ganz wesentliche Rolle.“
00:27:20: „Man muss dazu aber auch sagen, dass man glaube ich einem Irrglauben unterliegt, wenn man meint, dass der Westen oder Orient und Okzident getrennte Welten sind und waren.“
00:28:02: „Der Nahe Osten – so wie wir es ja oftmals nennen – ist uns eben teilweise näher als wir denken.“
00:31:58: „Der Nahe und Mittlere Osten […] sieht seit vielen Jahren, dass der Westen […] diese Region als Selbstbedienungsladen wahrnimmt, auch als Experimentierfeld, um Demokratien durchzusetzen.“
00:32:41: „Sie haben in den letzten Jahren zunehmend das Vertrauen in den Westen verloren, dass der Westen wirklich mit Ehrlichkeit die Werte vertritt, die er auch hochhält.“
00:34:07: „Menschen vor Ort ist erst mal daran gelegen, dass sie Sicherheit garantiert bekommen und für sie sind Monarchien der einzige Garant für Sicherheit. Für viele von ihnen.“
00:36:40: „Die Golfmonarchien sind einfach zu wichtig geworden, als dass man sie ignorieren kann. Ob man das jetzt will oder nicht, das ist die Realität.“
00:36:48: „Die Energiekrise zeigt das nochmal wie unter einem Brennglas, dass wir unsere Energiepartnerschaften diversifizieren müssen.“
00:40:45: „Ich glaube wir müssen uns einfach davon verabschieden, dass Demokratieförderung in diesen Ländern nicht maßgeblich sein kann für unsere Politik, aber dass wir schauen sollten in welchen anderen Bereichen – Klimawandel, Jugend- und Frauenförderung, Bildung usw. – es Ansätze gibt, wo man zumindest einen Teil seiner Werte gemeinsam mit den Golfstaaten durchsetzen kann, ohne dass man Gefahr läuft, sich sozusagen abhängig davon zu machen.“
00:44:55: „Auf der einen Seite kritisieren wir, dass Katar humanitäre Hilfe an die Hamas im Gazastreifen liefert […] und auf der anderen Seite ist dieses Engagement explizit willkommen auf israelischer und amerikanischer Seite, weil sie auch kein Interesse daran haben, dass die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen noch größer wird.“
00:45:31: „Die Kritik an Katar hat immer zwei Seiten, weil auf der einen Seite ist sie berechtigt, auf der anderen Seite ist es aber teilweise auch im politischen Interesse der internationalen Gemeinschaft, dass es solche Akteure wie Katar gibt.“
00:51:34: „Wenn man selbst schon sportlich nicht erfolgreich ist, dann ist man zumindest indirekt erfolgreich über die Vereine, die man besitzt.“
00:52:05: „Der Erfolg von Katar ist nicht nur reines Geld, sondern ist eben auch Expertise, ist auch Netzwerken, ist auch Professionalität.“