„Ich würde sogar sagen, dass der Krieg […] inzwischen auch für Putin selbst eine Funktion erfüllt und dass er sich aktuell nicht leisten kann, den Krieg zu beenden.“
Janis Kluge
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Dr. Janis Kluge: Wie „funktioniert“ Russland und wie tickt Putin?
Podcast-Host Michael möchte in dieser Folge herausfinden, wie Putin tickt, wie sich Russland in den letzten Jahren verändert hat und wie der Krieg in der Ukraine weitergeht. Für dieses Thema hat er sich den Experten Dr. Janis Kluge vors Mikro geholt. Kluge forscht für die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) unter anderem im Bereich Russland, Osteuropa, Zentralasien und hat bereits mehrere Jahre in Russland gelebt. Das Gespräch mit ihm gibt Aufschluss über das „System Putin“ und den weiteren Verlauf im Russland-Ukraine-Krieg.
Die wichtigsten Timecodes dieser MachtWas!?!-Folge:
- 00:01:38: Vorstellung Janis Kluge und SWP
- 00:08:52: Entwicklung Russlands seit den 90er, 2000er Jahren
- 00:17:53: Aktuelle Situation in Russland
- 00:26:19: Rolle Militär und Nachrichtendienste
- 00:33:43: Wirtschaftssystem Russland vs. China
- 00:38:48: Wie konnte es zum russischen Angriffskrieg kommen?
- 00:49:23: Szenarien zur Beendigung des Krieges
Der Thinktank SWP
Die SWP ist ein Thinktank, der von der Bundesregierung finanziert wird und zur wissenschaftlichen Beratung dient. Dr. Janis Kluge ist dort in der Forschungsgruppe Osteuropa und Eurasien aktiv und beschäftigt sich besonders intensiv mit Russland. Das Land hat er jedoch seit Ausbruch der Corona-Pandemie nicht mehr bereist. Er erklärt, dass ein Besuch heute durch seinen Beruf auch gewisse Risiken bringen würde und dass Russland insgesamt seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine weniger zugänglich und transparent sei.
Russlands Entwicklung bis heute
Kluge gibt Einblick in die Faktoren, die das heute Regime in Russland ermöglicht haben. In Bezug auf Putin spricht er von einem personalistischen System, das auf persönlichen Beziehungen beruht: „Es zählt immer, wer den persönlichen Draht zum Präsidenten hat und der Präsident nutzt persönliche Beziehungen, um Macht auszuüben.“ Das heißt, die Hierarchien in Russland sind nicht auf den ersten Blick erkennbar und es herrscht Unklarheit darüber, was jetzt genau die Regeln sind. Laut Kluge ist das auch ein bewusst gewähltes Instrument von Putin, um die Politikerinnen und Politiker zu disziplinieren. Aber dieses System führt auch zu einer wirtschaftlichen Stagnation im Land – warum das so ist, hört ihr in der Podcastfolge.
Das Problem an Putins System
„Der Tod Wladimir Putins ist automatisch ein Punkt, an dem sehr viel Unsicherheit und möglicherweise auch Instabilität in das System reinkommt.“
Janis Kluge
Putins Herrschaft ist nicht für einen Machttransfer ausgerichtet, denn Personen, die Sympathien oder Macht im Volk genießen, werden sofort demontiert, weil sie die Position des Präsidenten infrage stellen. Daher gibt es keine Nachfolge für Wladimir Putin, wenn er stirbt oder ein anderes Szenario eintreten sollte, das zum Verlust seines Postens führt. Michael fragt weiterhin, warum Russland in Sachen Wirtschaft nicht den gleichen Weg wie China gegangen ist. und unser Gast legt die Gründe offen, inwiefern sich die ökonomischen Systeme voneinander unterscheiden.
Szenarien zur Beendigung des Krieges
Wie konnte es überhaupt zum Krieg in der Ukraine kommen und gibt es Hoffnung auf Frieden? Kluge sagt, dass die erste Frage mehrere Erklärungs-Ebenen benötigt und gibt im Podcast einen tieferen Einblick. Auf die zweite Frage ist die Sichtweise unseres Gastes leider wenig optimistisch. Er erläutert, dass es auf Seiten Russlands keine neuen Kriegsziele gebe und auch keine Bereitschaft zu Verhandlungen. Zudem sei für Putin der Krieg inzwischen selbst zum Ziel geworden, denn er ermöglicht ihm unter anderem eine stärkere Repression und eine geringere Abhängigkeit vom Westen.
00:29:15: „Es zählt immer, wer den persönlichen Draht zum Präsidenten hat und der Präsident nutzt persönliche Beziehungen, um Macht auszuüben.“
00:31:26: „Der Tod Wladimir Putins ist automatisch ein Punkt, an dem sehr viel Unsicherheit und möglicherweise auch Instabilität in das System reinkommt.“
00:32:47: „Durch diese sehr lange Herrschaft Putins sind die Mechanismen für einen Machttransfer überhaupt nicht mehr da.“
00:47:49: „Ich denke, dass die allgemeine Interpretation ist, dass viele – wenn wir von Putin mal absehen – dass der Großteil wahrscheinlich sogar der Führungselite diesen Krieg nicht wollte.“
00:50:34: „Ich würde sogar sagen, dass der Krieg […] inzwischen auch für Putin selbst eine Funktion erfüllt und dass er sich aktuell nicht leisten kann, den Krieg zu beenden.“
00:59:30: „Letztlich gibt es keine kohärente Ideologie oder kein kohärentes Wertesystem, das Putin vertritt. Es ist widersprüchlich und es ist immer auch abhängig vom Adressaten.“