„Es gab in der Ukraine keine großen Gewinnchancen für die deutsche Rüstungsindustrie.“
Max Mutschler
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Max Mutschler über die Rüstungsindustrie, Waffenexporte und die Rolle Deutschlands im Ukraine Krieg
Unser Gast in dieser MachtWas!?!-Folge ist Max Mutschler, der am Friedensforschungsinstitut BICC tätig ist. Er forscht für den Frieden – wie es Michael im Podcast knapp zusammenfasst – und ist Experte in Sachen Rüstungskontrolle und Waffenhandel. Das Gespräch dreht sich um die vielfältigen Interessen am Rüstungsexport, die problematische Waffenlieferung an Drittstaaten und Deutschlands Rolle im Ukraine-Krieg.
Die wichtigsten Timecodes dieser MachtWas!?!-Folge:
- 00:00:55: Vorstellung des Experten
- 00:04:02: Überblick weltweite Rüstungsindustrie
- 00:17:58: Kontrollbefugnisse des Staates
- 00:26:05: Uneinigkeiten im deutschen Waffenexport
- 00:44:56: Deutschlands Rolle im Ukraine-Krieg
- 00:55:46: Dilemmata der Waffenlieferungen
Die größten Rüstungsexporteure weltweit
Deutschland zählt zu den führenden Rüstungsexporteuren, aber die volkswirtschaftliche Bedeutung der Waffenindustrie ist für das gesamte Land sehr gering. Es gibt jedoch Gegenden, die vermehrt von dem Geschäft profitieren, etwa die Bodenseeregion oder der Großraum München. Das übertrage sich dann auch auf die Politik, sagt Mutschler, weshalb das Thema in der deutschen Öffentlichkeit recht präsent ist. Weltweit wurden 2020 von den Top 100 Rüstungsunternehmen Waffen im Wert von 530 Milliarden US-Dollar verkauft. Unser Experte bemerkt: „Die größten Player sitzen natürlich in den USA.“ Laut dem Bericht des schwedischen Friedensforschungsinstituts SIPRI geht über die Hälfte des Umsatzes auf den Verkauf von US-Rüstungsunternehmen zurück.
Rüstungsindustrie – privat oder staatlich?
„Alle Waffen sind Rüstung, aber nicht alle Rüstungsgüter sind auch Waffen. Das ist eine ganz wichtige Unterscheidung.“
Max Mutschler
Um diesen Unterschied in Zahlen zu veranschaulichen, erklärt Mutschler, dass der Anteil der Kriegswaffen an Gesamtexporten beispielsweise nur 0,1 Prozent beträgt. Zudem will Michael wissen, ob die Rüstungsindustrie privat oder staatlich organisiert ist. Unser Experte antwortet daraufhin, dass die Abnehmer rein staatlich sind, wohingegen die Unternehmen privatwirtschaftlich agieren. Besonders die Produktion und der Export von Waffen werden jedoch vom Staat reguliert. Nach Mutschler könne diese Kontrolle aber durchaus strikter ausgeübt werden, schließlich habe die Ware eine potentiell tötende und zerstörende Wirkung.
Waffenlieferungen an Drittstaaten
Der Export von Waffen wird oftmals hitzig diskutiert, besonders wenn die Lieferung an Drittstaaten erfolgt. Denn dadurch unterstützt Deutschland beispielsweise Diktaturen wie Saudi-Arabien. Mutschler sieht das äußerst kritisch, da er hinter den Gründen ökonomische Interessen vermutet. Er sagt: „Die Lieferung an Drittstaaten muss eine Ausnahme sein und wir müssen dann auch ein Modell des Wirtschaftens und der Rüstungsproduktion finden, die dann auch dazu passt.“ Leider laufe es in der Realität jedoch oft andersherum ab. Und die Handlungen werden durch außenpolitische Interessen gerechtfertigt, obwohl sich dahinter ökonomische Gründe verbergen.
Rüstungsexporte in die Ukraine
In der aktuellen Situation hält Mutschler es aber für legitim, Waffen an die Ukraine zu liefern. Denn es gehe darum, einen demokratischen Staat in einer Bedrohungslage zu unterstützen. Das anfängliche Zögern Deutschlands begründet er damit, dass der privatwirtschaftliche Anreiz für die Rüstungsunternehmen gefehlt habe. Zudem würden Waffenlieferungen Gewaltkonflikte häufig verlängern, sagt unser Gast. Aber im Fall der Ukraine sieht Mutschler sogar die Chance, den Krieg dadurch zu stoppen. Weil er nicht glaubt, „dass Russland zu ernsthaften Friedensverhandlungen oder Waffenstillstandsverhandlungen bereit sein wird, solange es nicht militärisch merkt, wir kommen nicht mehr weiter.“ Eine Ausbreitung des Konflikts auf weitere Länder erwartet unser Experte erst einmal nicht. Jedoch seien Putins Entscheidungen unberechenbar und auch mit einem tatsächlichen Angriff auf die Ukraine hätte Mutschler nicht gerechnet. Deswegen lassen sich für die Zukunft nur Mutmaßungen anstellen und hoffen, dass der Krieg schnellstmöglich beendet wird.
Zitate:
00:05:43: „Alle Waffen sind Rüstung, aber nicht alle Rüstungsgüter sind auch Waffen. Das ist eine ganz wichtige Unterscheidung.“
00:05:55: „Die größten Player sitzen natürlich in den USA.“
00:16:57: „Die Rüstungsunternehmen bemühen sich darum, ihr Image möglichst gut darzustellen.“
00:18:57: „In Deutschland ist die Rüstungsindustrie weitgehend – es gibt natürlich ein paar staatliche Beteiligungen auch – privatwirtschaftlich organisiert.“
00:19:37: „Ein Panzer und Sturmgewähr sind eben keine Autoreifen und keine Gummibärchen, sondern sie haben potentiell tötende und zerstörende Wirkung, deswegen ist es völlig richtig, dass da der Staat Kontrollbefugnisse hat.“
00:28:52: „Wir haben im Prinzip für die Rüstungsindustrie letztendlich nur staatliche Abnehmer.“
00:29:12: „Die deutsche Rüstungsindustrie ist zu klein, um alles von der Bundeswehr gewünschte liefern zu können. Sie ist aber zu groß, um nur durch Aufträge der Bundeswehr ausgelastet zu sein.“
00:30:05: „Die Lieferung an Drittstaaten muss eine Ausnahme sein und wir müssen dann auch ein Modell des Wirtschaftens und der Rüstungsproduktion finden, die dann auch dazu passt.“
00:40:59: „Es kann außen- und sicherheitspolitisch richtig und sogar geboten sein, auch Drittstaaten zu beliefern, aber es soll eben dieses außenpolitische Argument sein und es soll nicht primär die Wirtschaftsinteressen sein.“
00:42:03: „Es gibt auch ein nachvollziehbares verteidigungspolitisches Interesse, eine eigene Rüstungsindustrie zu haben, um sich nicht zu sehr abhängig zu machen von anderen Staaten.“
00:49:10: „Mit dem russischen Angriff auf die Ukraine finde ich es nicht nur legitim, sondern ist es auch die richtige Politik, Waffen zu liefern.“
00:53:50: „Es gab in der Ukraine keine großen Gewinnchancen für die deutsche Rüstungsindustrie.“
00:57:05: „Empirisch gibt es tatsächlich viel, was dafür spricht, dass Waffenlieferungen Gewaltkonflikte verlängern.“
00:59:15: „Weil ich mich jetzt für Waffenlieferung an die Ukraine ausspreche – in der jetzigen Situation – heißt das nicht, dass ich das in einem Jahr immer noch täte. Also es kommt auch immer darauf an, wie sich die Situation verändert.“
00:59:50: „In der jetzigen Situation gibt es aus meiner Sicht sogar eine Chance, durch die Waffenlieferung an die Ukraine das Kriegsgeschehen zu stoppen.“
01:00:00: „Ich glaube nicht, dass Russland zu ernsthaften Friedensverhandlungen oder Waffenstillstandsverhandlungen bereit sein wird, solange es nicht militärisch merkt, wir kommen nicht mehr weiter.“
01:04:44: „Es ist schon denkbar, dass der Konflikt weiter eskaliert. Russland hat das angedroht und hat ja sogar eine nukleare Drohung erhoben.“