„Es steht zu erwarten, dass Wladimir Putin letztlich die Ukraine nicht gehen lassen wird.“
Katja Gloger
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Katja Gloger über das System Putin und russische Befindlichkeiten
Unsere Expertin für die aktuelle Lage in Russland ist Katja Gloger. Sie ist Journalistin, Autorin und ehemalige Moskau- und USA-Korrespondentin des Stern. Sie sagt, dass ihr Russland sogar bis heute ein richtiges Zuhause geblieben ist. Im MachtWas!?! Podcast analysiert sie gemeinsam mit Michael Russlands Entwicklung von den 90ern bis heute und gibt Einblick in das System Putins. Außerdem werden aktuelle Fragen zum Russland-Ukraine-Konflikt beantwortet und die Rolle der europäischen Union geklärt.
Die wichtigsten Timecodes dieser MachtWas!?!-Folge:
- 00:03:43: Russland und die ehemalige Sowjetunion
- 00:12:09: Russlands Entwicklung seit den 90er Jahren
- 00:25:58: Typisch Russisch – Typisch Putin?
- 00:38:07: Russlands Verhältnis zu den alten Sowjet-Republiken
- 00:47:26: Rolle Deutschlands und der EU
Entwicklung des Konflikts in Russland
Seit 30 Jahren entwickle sich die aktuelle Krise in Russland, sagt unsere Gästin Gloger. Der Konflikt liegt im Großen und Ganzen in der verunsicherten Beziehung zwischen Russland und Europa: „Der Wunsch nach Integration, den gab es ja auf beiden Seiten – also Russlands Integration in eine europäische Sicherheitsordnung. Der Westen aber konnte und wollte die russischen Forderungen […] aus strategischen Gründen, aber auch aus grundsätzlichen Gründen nicht erfüllen“, sagt Gloger. Als wichtige Einschnitte in der Geschichte nennt sie beispielsweise die sowjetische Zustimmung zur Deutschen Einheit. Sie war Michail Gorbatschow zu verdanken, aber wird bis heute oft als Verrat an der russischen Sache betrachtet. Auch die NATO-Osterweiterung verstärkt das Misstrauen gegenüber dem Westen. Denn in der russischen Wahrnehmung wird sie als Bedrohung der eigenen Sicherheitsinteressen gesehen.
Putins „historische Mission“
Wladimir Putin verkörpert durch seine Sozialisation natürlich schon in gewisser Weise russisches Denken.“
Katja Gloger
Gloger beschreibt das Vorhaben Putins als „historische Mission“. Der Staatschef will Russland als Großmacht entwickeln und zwar als Einheit mit den ehemaligen Sowjet-Republiken Ukraine und Belarus. An höchster Stelle stehe dabei die Macht des Staates und seine Rechte über die Bürgerinnen und Bürger. Dieses Denken spiegelt in gewisser Weise auch die russische Sichtweise wider. Gloger betont jedoch, dass es natürlich unterschiedliche Wahrnehmung im Land gebe und dass auch das propagandistische Narrativ über den Westen nicht zu unterschätzen sei. Sie sagt auch: „Wladimir Putin ist ein Meister der Taktik und er ist ein Meister darin, Krisen anzuzetteln.“
Wer gewinnt im Fall einer Invasion?
Seit Wochen erhöht Russland seinen militärischen Einsatz an der ukrainischen Grenze und verstärkt damit die Frage: Droht eine Eskalation des jahrelangen Konflikts? „Im Falle einer Invasion wäre ein militärischer Sieg Russlands in vergleichsweise kurzer Zeit zu erreichen“, meint Gloger. Und da seien sich auch die Expertinnen und Experten einig. Natürlich wollen die Menschen in Russland keinen Krieg, aber unsere Expertin sagt auch: „Es steht zu erwarten, dass Wladimir Putin letztlich die Ukraine nicht gehen lassen wird.“ Denn wie bereits erwähnt scheint es ihm ernst zu sein mit seiner „historischen Mission“. Eine Deeskalation der Krise wäre aber auch im Sinne der EU, denn eine Sicherheit in Europa könne es nur mit Russland geben.
Die Rolle des Westens
„Die Deutschen sind für Putin – ähnlich übrigens wie die Franzosen – schon irgendwie ein ernstzunehmender Gesprächspartner als die beiden großen – wenn man so will einflussreichsten – Staaten in der europäischen Union. Die europäische Union glaub ich nimmt er nicht wirklich ernst.“
Katja Gloger
Laut Gloger wird der Westen nicht mit militärischen Mitteln auf die Krise in Russland reagieren. Deshalb seien auch die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine eher als symbolische Unterstützung gedacht, als dass sie wirklich etwas ausrichten würden. Unsere Expertin sieht die einzige Lösung im direkten Dialog. Vor allem die USA solle konkrete Vorschläge machen, wenn es um große Nuklearfragen geht sowie um konventionelle Streitkräfte und Raketenabwehrstellen. Außerdem würden vertrauensbildende Maßnahmen helfen, um die globale Situation wieder zu stabilisieren. Falls Russland jedoch wirklich eine militärische Invasion durchführen wird, bleibt dem Westen nichts anderes übrig, als mit harten politischen und ökonomischen Sanktionen zu antworten.
Zitate:
00:04:55: „Für mich war es so, dass mir Russland ja dann doch sehr schnell ein richtiges Zuhause geworden ist und das ist eigentlich bis heute so geblieben.“
00:13:12: „Die große Krise und Eskalation, die wir jetzt erleben, ist ja im Grunde eine Krise, die seit 30 Jahren schwelt.“
00:21:06: „Der Wunsch nach Integration, den gab es ja auf beiden Seiten – also Russlands Integration in eine europäische Sicherheitsordnung. Der Westen aber konnte und wollte die russischen Forderungen […] aus strategischen Gründen, aber auch aus grundsätzlichen Gründen nicht erfüllen.“
00:22:47: „Die NATO rückte weiter nach Osten vor. In der russischen Wahrnehmung ist das eine Bedrohung russischer Sicherheitsinteressen.“
00:26:47: „Wladimir Putin verkörpert durch seine Sozialisation natürlich schon in gewisser Weise russisches Denken.“
00:31:20: „Von einer Demokratie konnte man in Russland auch in den 90er Jahren leider nicht wirklich sprechen.“
00:31:53: „Wir haben es heute mit einem autoritären, stark repressiven System zu tun, das keine Opposition duldet.“
00:33:59: „Wir können ja nicht in Putins Kopf schauen. Wir können nur versuchen, uns ein bisschen anzunähern und da ist sicher auch viel Interpretation dabei.“
00:45:41: „Im Falle einer Invasion wäre ein militärischer Sieg Russlands in vergleichsweise kurzer Zeit zu erreichen.“
00:46:41: „Es steht zu erwarten, dass Wladimir Putin letztlich die Ukraine nicht gehen lassen wird.“
00:48:29: „Wladimir Putin ist ein Meister der Taktik und er ist ein Meister darin, Krisen anzuzetteln.“
00:49:13: „Es ist besser miteinander zu sprechen als die Waffen sprechen zu lassen.“
00:49:17: „Es ist auch eine seit langem formulierte Wahrheit, dass es Sicherheit in Europa nur mit Russland geben kann.“
00:53:03: „Die Deutschen sind für Putin – ähnlich übrigens wie die Franzosen – schon irgendwie ein ernstzunehmender Gesprächspartner als die beiden großen – wenn man so will einflussreichsten – Staaten in der europäischen Union. Die europäische Union glaub ich nimmt er nicht wirklich ernst.“
00:54:15: „Deswegen sind auch so heftig debattierte, mögliche Waffenlieferungen, auch deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine eher Symbol, als dass sie wirklich militärisch etwas ändern könnten an diesem unglaublichen Ungleichgewicht zwischen russischem und ukrainischen Militär.“