„Christian Lindner repräsentierte in den Augen vieler Wählerinnen und Wähler das innere Kind des Wählers.“
Stephan Grünewald
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Stephan Grünewald über die Psychologie der Wähler, Angst vor Veränderung und junge Fridays for Future Aktivisten
Stephan Grünewald, Psychologe und Gründer des Rheingoldinstituts, ist im MachtWas!?!-Podcast zu Gast. Stephan Grünewald gibt mit seinem Institut die seelische Verfassung Deutschlands wieder. Das macht er seit 30 Jahren mit sogenannten „Tiefeninterviews“. Wer wissen möchte, was das genau ist, hört sich den Podcast an.
Die wichtigsten Timecodes dieser MachtWas!?!-Folge:
- 00:02:00 | Tiefenpsychologie: Was will der Mensch, obwohl er es nicht sagt?
- 00:09:15 | Unternehmenskunden, oder: Warum wir putzen.
- 00:15:35 | Deutschland, das Auenland des Planeten Erde.
- 00:30:30 | Warum junge Fridays For Future-Anhängerinnen systemstabilisierend sind.
- 00:38:15 | Angst essen Gesellschaft auf.
- 00:49:00 | Wie die Menschen wieder zueinanderfinden.
Psychologische Tiefeninterviews
Stephan Grünewald erklärt, warum Menschen bestimmte Dinge preisgeben und andere verheimlichen. Mit den sogenannten Tiefeninterviews werden die Probanden dazu gebracht nicht in Kategorien von richtig und falsch zu denken. Sie beschreiben viel mehr, was sie tatsächlich Erleben und Denken: „Wir legen in der Regel recht wenig Menschen sinnbildlich auf die Couch. […] Brauchen aber, wenn wir zwei Stunden analysieren, fast sechs Stunden, um zu verstehen, was in diesen zwei Stunden überhaupt passiert ist.“
„Die Menschen haben ja ’ne Tendenz zur sozialen Erwünschtheit. Das heißt, sie machen erstmal das offenkundig, von dem sie glauben, dass das Gegenüber oder die Gesellschaft das gut findet.“
Stephan Grünewald
Die Kunden von Stephan Grünewald seien vielfältig. Von großen Medienhäusern über Wohltätigkeitsorganisationen bis hin zu Reinigungsmittelherstellerinnen: „Warum putzen Menschen überhaupt? Da haben wir Tiefeninterviews zur Haushaltsreinigung durchgeführt und festgestellt: Die meisten Menschen putzen gar nicht, wenn die Wohnung dreckig ist, sondern wenn es ihnen selber dreckig geht.“ Je nach Gemütslage greife man dann zu Der General, Meister Proper oder Frosch-Reiniger, wenn das Badezimmer geputzt werden muss. Sagt zumindest Stephan Grünewald.
Die Bundesrepublik Auenland
Zur Bundestagswahl 2021 hatte Stephan Grünewald das Gefühl, dass die Kandidatinnen der großen Parteien vor allem schwachgeredet wurden. Das läge an der Pandemie und dem Klimawandel.
Bis ins Detail versucht Stephan Grünewald zu erklären, warum die aktuellen Koalitionsverhandlungen von SPD, Grüne und FDP beinahe vorherbestimmt waren: „Der [Konstanz-Fonds] wurde repräsentiert von der CDU, trotz Laschet, der durch das Lachen etwas wankelmütig und unberechenbar erschien. Oder von Herrn Scholz, trotz der SPD […], der wirkte jetzt vor allen Dingen, weil er nicht lachte […] als jemand, der eine gewisse Souveränität und Ruhe ausstrahlte und dadurch Konstanz versprach.“
Wer wissen möchte, wie die Wählerin sich selbst in Christian Lindner wiederentdeckt, hört den Podcast.
Stephan Grünewald findet, die Menschen fokussieren sich zu sehr auf sich selbst oder den unmittelbaren Umkreis. Dort könne man mit Netflix-Serien alles ausblenden, was einen ängstigt und verunsichert. Dieses Phänomen habe sich durch die Pandemie jedoch verändert. Den Menschen sei jetzt klar, dass man mit einer Krise klarkommen kann. Insbesondere wenn man mit Gleichgesinnten unterwegs ist.
„Diese Auenlandbräsigkeit ist jetzt in den letzten Jahren durch Corona in die Schieflage geraten. Weil wir jetzt gemerkt haben, auch das Auenland kennt die Pandemie. Auch hier gibt es riesige Probleme.“
Stephan Grünewald
Neue Gemeinschaften und das Bedürfnis nach Generationenharmonie
Das Vertrauen in die Politik ginge verloren, wird jedoch durch ein neues Miteinander ersetzt: „Das Vertrauen in die eigenen Gestaltungskräfte, das Vertrauen mit Gleichgesinnten etwas zu bewegen. Das steigert sich.“
Stephan Grünewald spricht über Fridays For Future und dem politischen Erwachen unter Jugendlichen: „In den meisten Fällen ist es gar nicht mehr so, dass die Eltern ihre Kinder erziehen. Sondern, die Jugendlichen erziehen ihre Eltern um.“ Ganz im Gegenteil zur 68er-Generation haben die Jugendlichen heute aber kein Interesse mehr daran mit ihren Eltern zu brechen: „Wir haben eine Jugend […], die eher systemstabilisierend unterwegs ist und für die Harmonie ganz ganz wichtig ist.“
Wie man Angst überwindet und wieder zusammenfindet
Stephan Grünewald möchte, dass das Fremde nicht fremd bleibt. Dadurch würde es seine bedrohlichen Eigenschaften verlieren. Im Rahmen seiner Arbeit sorge er dafür, dass Menschen „aus ihrer Netflixwirklichkeit“ ausbrechen und miteinander konfrontiert werden: „Der Streit führt im Idealfall zu einem Perspektivwechsel, weil wir für einen Moment die Welt mal mit den Augen eines Anderen sehen.“
„Wir brauchen wieder ein freiwilliges bzw. verpflichtendes soziales Jahr oder ’nen Wehrdienst. Weil man in diesem Jahr auch wieder mit ganz anderen Menschen zusammenkommt und dadurch auch wieder ein Verständnis entwickelt, wie unterschiedlich wir doch alle sind.“
Stephan Grünewald
Diese „befriedende Dialektik des Streits“ müsse wieder etabliert werden. Menschen sollen miteinander reden. Erst recht, wenn sie sich voneinander unterscheiden. Stephan Grünewald schließt den Podcast mit einer Analyse der deutschen Medienlandschaft.
Zitate:
00:02:35 „Die Menschen haben ja ’ne Tendenz zur sozialen Erwünschtheit. Das heißt, sie machen erstmal das offenkundig, von dem sie glauben, dass das Gegenüber oder die Gesellschaft das gut findet.“
00:06:03 „Wir legen in der Regel recht wenig Menschen sinnbildlich auf die Couch. […] Brauchen aber, wenn wir zwei Stunden analysieren, fast sechs Stunden, um zu verstehen, was in diesen zwei Stunden überhaupt passiert ist.“
00:08:17 „Wenn unsere Auftraggeber das Gefühl haben mit herkömmlicher Forschung nicht mehr weiterzukommen, sind wir die erste Adresse.“
00:09:35 „Warum putzen Menschen überhaupt? Da haben wir Tiefeninterviews zur Haushaltsreinigung durchgeführt und festgestellt: Die meisten Menschen putzen gar nicht, wenn die Wohnung dreckig ist, sondern wenn es ihnen selber dreckig geht.“
00:19:29 „Der [Konstanz-Fonds] wurde repräsentiert von der CDU, trotz Laschet, der durch das Lachen etwas wankelmütig und unberechenbar erschien. Oder von Herrn Scholz, trotz der SPD […], der wirkte jetzt vor allen Dingen, weil er nicht lachte […] als jemand, der eine gewisse Souveränität und Ruhe ausstrahlte und dadurch Konstanz versprach.“
00:20:39 „Christian Lindner repräsentierte in den Augen vieler Wählerinnen und Wähler das innere Kind des Wählers.“
00:22:59 „Diese Auenlandbräsigkeit ist jetzt in den letzten Jahren durch Corona in die Schieflage geraten. Weil wir jetzt gemerkt haben, auch das Auenland kennt die Pandemie. Auch hier gibt es riesige Probleme.“
00:27:20 „Die Ära Merkel stand für eine Zeit, wo man sich relativ auf diese Mutter verlassen konnte und die Wählerinnen und Wähler hatten so ihre eigenen Spielräume.“
00:31:19 „Das Vertrauen in die eigenen Gestaltungskräfte, das Vertrauen mit Gleichgesinnten etwas zu bewegen. Das steigert sich.“
00:34:14 „Wir haben eine Jugend […], die eher systemstabilisierend unterwegs ist und für die Harmonie ganz ganz wichtig ist.“
00:37:29 „In den meisten Fällen ist es gar nicht mehr so, dass die Eltern ihre Kinder erziehen. Sondern, die Jugendlichen erziehen ihre Eltern um.“
00:42:36 „Wir brauchen wieder ein freiwilliges bzw. verpflichtendes soziales Jahr, oder ’nen Wehrdienst. Weil man in diesem Jahr auch wieder mit ganz anderen Menschen zusammenkommt und dadurch auch wieder ein Verständnis entwickelt, wie unterschiedlich wir doch alle sind.“
00:47:45 „Der Streit führt im Idealfall zu einem Perspektivwechsel, weil wir für einen Moment die Welt mal mit den Augen eines Anderen sehen.“
00:50:53 „Wie schaffen wir es, wenn die 4. Welle jetzt überstanden ist, den öffentlichen Raum wieder zu kultivieren?“