„Verschwörungstheorien hängen erstaunlich wenig vom Bildungsgrad ab.“
Prof. Dr. Oliver Quiring
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Prof. Dr. Oliver Quiring und Prof. Dr. Marcus Maurer über Verschwörungstheorien, schlechte Nachrichten und Social Media
Prof. Dr. Oliver Quiring und Prof. Dr. Marcus Maurer von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz sind im MachtWas!?!-Podcast zu Gast. Am Institut für Publizistik forschen sie zur Berichterstattung der deutschen Medien als auch, wie diese in der Bevölkerung wahrgenommen werden.
Die wichtigsten Timecodes dieser MachtWas!?!-Folge:
- 00:04:40 | Berichterstattungen brauchen immer ein großes Thema.
- 00:18:20 | Schlechte Nachrichten und ihre Überbringerinnen.
- 00:44:00 | Über den Redebedarf mit Verschwörungsschwurblern.
- 00:54:50 | Warum Social Media nicht die etablierten Medien ablösen wird.
- 01:02:50 | Ob False Balance in den Medien tatsächlich stattfindet.
Hat sich mit der Pandemie auch die Art der Berichterstattung verändert?
Kurze Antwort: Nein. Im Wesentlichen lasse sich aber ein Muster erkennen: Die Medien konzentrierten sich auch schon vor Corona für bestimmte Zeit auf ein großes gesellschaftliches Phänomen, erklärt Marcus Maurer im Podcast. Das sei beim Atomausstieg oder während der erhöhten Zuwanderung durch Geflüchtete nicht anders gewesen. Jetzt ist also Corona das dominierende Thema in den Medien. Marcus Maurer beklagt dies. „Viele Themen verschwinden völlig. Es gibt natürlich Themen, wie Rente, Arbeit, Steuern, über die momentan praktisch niemand redet. Obwohl das natürlich nach wie vor wichtige Themen sind.“
Oliver Quiring macht klar, dass das deutsche Medienangebot zwar vielfältig sei, viele Menschen mittlerweile aber überfordert und „satt“ sind, wenn es um Neuigkeiten rund um die Pandemie geht.
Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten
Warum das so ist, wisse man noch nicht. Marcus Maurer geht im Podcast jedoch auf vielversprechende Vermutungen ein.
„Die Idee, dass die Berichterstattung besonders regierungsfreundlich war, das sehen wir wirklich gar nicht.“
Marcus Maurer
Hält sich die Bevölkerung dabei an das Credo „Don’t shoot the messenger“? In der Regel sei das so, sagt Oliver Quiring. Die meisten würden zwischen den Medien als Überbringer und Corona als Ursache von Nachrichten unterscheiden. Auch Karl Lauterbach nehme man seine Rolle als „Dauerwarner“ nicht übel. „Lauterbach hat sehr viel über die negativen Seiten von Corona unter die Leute gebracht. Was soll er auch machen? Es ist ja wenig Positives dran.“ (Oliver Quiring)
Marcus Maurer fügt an, dass Lauterbach ohne sein Auftreten auch nicht den Kabinettsposten bekommen hätte, den er jetzt hat. „Der ist jetzt Gesundheitsminister, weil er von den Medien und der Bevölkerung in dieses Amt eingefordert wurde.“
Wann und wie über die Pandemie berichtet wurde
Oliver Quiring macht klar, dass gerade zu Beginn der Corona Pandemie überdurchschnittlich viel in die Medien vertraut wurde. Das soll nicht heißen, dass das dieses Vertrauen jetzt verlorengegangen ist, es habe sich nur wieder im Normalbereich eingependelt. In der breiten Öffentlichkeit glaube niemand an die Mär vom Regierungsfunk. „Dass die Politik jetzt bestimmte Maßnahmen erlassen würde, nur weil sie in den Medien gut ankommen, das kann ich mir nicht vorstellen.“ (Marcus Maurer)
Marcus Maurer beteuert im Podcast zudem, dass Medienkonsum längst nicht bewirke, dass sich Bildungslücken schließen. „Dass die Wissensunterschiede zwischen Menschen unterschiedlicher Bildungshintergründe durch die Mediennutzung nicht etwa kleiner, wie man sich das wünschen würde, sondern im Gegenteil größer werden.“ (Marcus Maurer)
Die zwei Wissenschaftler gehen auch auf den Hostile-Media-Effekt ein. Dieser besagt, dass Anhängerinnen entgegengesetzter Überzeugungen neutrale Beiträge gleichermaßen als Angriff auf die eigene Überzeugung wahrnehmen.
Verschwörung, soziale Medien und die echte Welt
Zuallererst gilt es sich folgendes zu vergegenwärtigen: „Verschwörungstheorien hängen erstaunlich wenig vom Bildungsgrad ab.“ (Oliver Quiring) Manche Menschen verbreiten die krudesten Theorien ausschließlich aus wirtschaftlichem Interesse. „Wir können noch so neutral berichten und Fakten herstellen. Wenn das jemandem nicht in den Kram passt, wird er das auf seine Art interpretieren.“ (Oliver Quiring)
Oliver Quiring sieht nicht, dass der Journalismus gefahrlaufe obsolet zu werden, nur weil Politiker auf Twitter direkt mit Bürgerinnen kommunizieren können. Die Leute wollen eben nicht nur Fakten und Aussagen. „Journalismus ist im Wesentlichen Einordnung.“ (Oliver Quiring)
Auch wenn „Lügenpresse“-Schreie vor 30 Jahre noch nicht so laut waren (damals gab es schließlich noch nicht die heutige Form des Internets), existierten solche Überzeugungen auch schon in den 90ern. In der Corona Pandemie habe das Vertrauen in die Medien eher zugenommen, macht Marcus Maurer klar und appelliert zum Schluss an eben diese. „Wenn man als Journalist Menschen zum Handeln motivieren möchte […], dann gelingt das nicht einfach nur durch diese kritische Haltung gegenüber den Mächtigen, sondern das gelingt deutlich besser, wenn man den Menschen auch eine Lösungsmöglichkeit für diese Probleme aufzeigt.“ (Marcus Maurer)
Zitate:
00:06:04 „Wir beschäftigen uns mit Fragen, wie einseitig ist die Berichterstattung oder wie vielfältig? Wer kommt da eigentlich zu Wort, wie unterschiedlich berichten unterschiedliche Medien über Themen oder wie ähnlich sind die sich in ihrer Berichterstattung.“ (Marcus Maurer)
00:10:31 „Du wirst wahrscheinlich auch keine Zeitung lesen, die dir zutiefst suspekt und zutiefst gegen deine Meinung ist.“ (Oliver Quiring)
00:13:21 „Verschiedene Leute lassen sich verschieden beeinflussen.“ (Oliver Quiring)
00:16:21 „Viele Themen verschwinden völlig. Es gibt natürlich Themen, wie Rente, Arbeit, Steuern, über die momentan praktisch niemand redet. Obwohl das natürlich nach wie vor wichtige Themen sind.“ (Marcus Maurer)
00:19:16 „Es gibt ganz klare Hinweise darauf, dass Menschen negative Nachrichten interessanter finden.“ (Marcus Maurer)
00:22:31 „Lauterbach hat sehr viel über die negativen Seiten von Corona unter die Leute gebracht. Was soll er auch machen? Es ist ja wenig Positives dran.“ (Oliver Quiring)
00:24:51 „Der ist jetzt Gesundheitsminister, weil er von den Medien und der Bevölkerung in dieses Amt eingefordert wurde.“ (Marcus Maurer)
00:28:51 „Wir haben elf Leitmedien untersucht […] und wir finden da relativ wenig Unterschiede. Es ist nicht so, dass es da substanzielle Unterschiede zwischen Fernsehen und Printmedien gibt.“ (Marcus Maurer)
00:30:21 „Die Idee, dass die Berichterstattung besonders regierungsfreundlich war, das sehen wir wirklich gar nicht.“ (Marcus Maurer)
00:33:11 „Wir müssen Studien durchführen, damit wir ordentlich sagen können, wie die Realität aussieht.“ (Oliver Quiring)
00:38:41 „Was viel problematischer ist: dass die Menschen mit diesen Zahlen alleingelassen werden. […] Es fehlt die Relation.“ (Marcus Maurer)
00:42:51 „Dass die Wissensunterschiede zwischen Menschen unterschiedlicher Bildungshintergründe durch die Mediennutzung nicht etwa kleiner, wie man sich das wünschen würde, sondern im Gegenteil größer werden.“ (Marcus Maurer)
00:47:36 „Verschwörungstheorien hängen erstaunlich wenig vom Bildungsgrad ab.“ (Oliver Quiring)
00:51:51 „Ich glaube nicht, dass alle die Verschwörungstheorien verbreiten im Netz oder sich jetzt massiv gegen Maßnahmen wehren, tatsächlich dieser Meinung sind.“ (Oliver Quiring)
01:02:11 „Journalismus ist im Wesentlichen Einordnung.“ (Oliver Quiring)
01:06:11 „Eine False Balance haben wir hier ganz bestimmt nicht gesehen in dieser Berichterstattung.“ (Marcus Maurer)
01:09:21 „Wir haben seit zehn Jahren nicht mehr so hohe Vertrauenswerte in die Medien gemessen wie [zur ersten Welle.]“ (Oliver Quiring)
01:11:46 „Dass die Politik jetzt bestimmte Maßnahmen erlassen würde, nur weil sie in den Medien gut ankommen, das kann ich mir nicht vorstellen.“ (Marcus Maurer)
01:16:41 „Wir können noch so neutral berichten und Fakten herstellen. Wenn das jemandem nicht in den Kram passt, wird er das auf seine Art interpretieren.“ (Oliver Quiring)
01:23:01 „Wenn man als Journalist Menschen zum Handeln motivieren möchte […], dann gelingt das nicht einfach nur durch diese kritische Haltung gegenüber den Mächtigen, sondern das gelingt deutlich besser, wenn man den Menschen auch eine Lösungsmöglichkeit für diese Probleme aufzeigt.“ (Marcus Maurer)