„Ich höre immer wieder, dass in Hongkong jetzt die Demokratie zerstört wird. Das ist schlicht und ergreifend falsch. Hongkong ist keine Demokratie, Hongkong war auch nie eine Demokratie.“
Prof. Eberhard Sandschneider
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Prof. Sandschneider über die Machtelite Chinas und das Verhältnis des neuen Exportweltmeisters zur EU, den USA und Russland
Der China-Experte Eberhard Sandschneider ist im MachtWas!?!-Podcast zu Gast. Der emiritierte Professor für „Politik Chinas und internationale Beziehungen“ hat 1978 angefangen, sich mit dem Land der Mitte zu beschäftigen. Das war zeitgleich mit dem Start der Reformpolitik durch den neuen Machthaber Deng Xiaoping in China.
Im Podcast geht es um die Seidenstraße bis nach Duisburg und um Kommunismus als Fassade. Besprochen werden auch die Handelsbeziehungen und -kriege Chinas mit der EU und den USA. Außerdem thematisiert Professor Sandscheider die zwei Internets, Menschenrechtsverletzungen, Hongkong und Wohlstand.
Chinas Entwicklung zur Weltmacht
Als Eberhard Sandschneider anfing, sich für China zu interessieren, war das Land bitterarm. Nach dem „großen Sprung nach vorn“ und der Kulturrevolution von Mao Zedong, wurde China von Deng Xiaoping wiederaufgebaut. Eberhard Sandschneider erklärt, warum es keinen besseren Zeitpunkt hätte geben können, um über China zu lernen und zu lehren.
„Ich bin kein China-Fan.“
Prof. Eberhard Sandschneider
Heute ist China eine Weltmacht. Eberhard Sandschneider erläutert, warum Deutschland den Titel „Exportweltmeisters“ an China verloren hat. China ist nicht nur für VW und Daimler wichtig, sondern auch für den deutschen Mittelstand. Für diesen ist es der drittwichtigste Markt.
Hierzulande würde China immer noch missverstanden werden. Das macht Eberhard Sandschneider unter anderem deutlich, indem er deutsche und chinesische Entwicklungshilfe in Afrika vergleicht. Wobei der Begriff „Entwicklungshilfe“ an sich schon irreführend sei. „Der chinesische Ansatz in Afrika konterkariert deutsche Entwicklungshilfe dramatisch und führt sie ein Stück weit auch ad absurdum. China kommt ohne politische Vorgaben, mit Infrastrukturmaßnahmen, die allerdings einer etwas anderen Regel folgen als unsere Ambition.“
Vitamin B allein reicht nicht fürs Politbüro
Wie kommt man in das Politbüro des Zentralkomitees und steuert das ganze Land? Auch in China ist Korruption keine Seltenheit. Eberhard Sandschneider betont jedoch, dass es niemand ohne gewisse Fähigkeiten in die Führungsregie schaffen würde. Zu welchem Familienclan man gehört, wird erst später wichtig.
„In China müssen sie nachweisen, dass sie Qualifikationen haben. Schauen sie sich nur an, wie der ein oder andere Bundespolitiker in sein Amt gekommen ist, ohne jemals mit dem Thema befasst worden zu sein mit dem er nun als Minister befasst ist.“
Prof. Eberhard Sandschneider
Im Podcast erklärt Eberhard Sandschneider, welche Rolle Xi Jinpings Vorfahren bei seiner Ernennung zum Staatspräsidenten gespielt haben und wie die Netzwerke der einflussreichen chinesischen Familien funktionieren.
Neben der politischen Macht geht es auch um die wachsende Einflussnahme von Unternehmern wie dem Alibaba-Gründer Jack Ma.
Das alte China und Ideologie heute
Wie wirkt sich die historische Entwicklung eines Landes auf seine Bevölkerung aus? Eberhard Sandschneider spricht über Chinas Schiffflotte, die schon vor mehreren Jahrhunderten größer war als die aller europäischen Länder zusammen. Der Bau der Ming-Mauer, Kolonisationsversuche und der Opiumkrieg sind historisch ebenfalls wichtig. Und Er geht darauf ein, wie sich diese Themen auf das nationale Selbstverständnis der Chinesinnen auswirken.
„Was immer die Spitzentechnologien 1435 waren: Die Chinesen konnten das, die Europäer noch nicht wirklich.“
Prof. Eberhard Sandschneider
Diesen Nationalstolz würde auch Xi Jinping auszunutzen wissen. Bis 1978 gab es noch eine klare Vorherrschaft der Ideologie. Heute rechtfertigen sich die chinesischen Herrscher vielmehr damit, dass sie Problemlöser sind.
„Der Kommunismus ist eine Fassade. Darunter entwickelt sich das, was die Chinesen ‚sozialistische Marktwirtschaft‘ nennen, aber es ist eben eine eher marktwirtschaftlich getriebene Wirtschaftsordnung.“
Prof. Eberhard Sandschneider
Im Podcast erfahrt ihr, warum Eberhard Sandschneider sich sicher ist, dass Hongkong spätestens 2047 eine „normale“ chinesische Stadt wird. Eberhard Sandschneider findet die Empörung und das Parteiergreifen für die Unabhängigkeit Hongkongs verlogen. Jede Aktivistin würde wissen, dass die wirtschaftliche Macht Chinas so groß ist, dass niemand der Volksrepublik ernsthaft Sanktionen androhen könnte: „Ich höre immer wieder, dass in Hongkong jetzt die Demokratie zerstört wird. Das ist schlicht und ergreifend falsch. Hongkong ist keine Demokratie, Hongkong war auch nie eine Demokratie.“
Chinesisch-deutsche Beziehungen
Es gibt viele unterschiedliche Chinas, die sich in der Volksrepublik wiederfinden. Warum gerade die deutsche Politik oftmals daran scheitert alle Chinas zu erkennen und auseinanderzuhalten, verrät Eberhard Schneider im Podcast. Feinbilder würden niemandem etwas bringen und sich nur gegenseitig reproduzieren. Eberhard Sandschneider spricht sich dafür aus, dass ein kooperativer Ansatz mit China deshalb mehrversprechend ist.
„Wenn Sie nach Duisburg kommen, werden sie feststellen, dass die Begeisterung für China eine ganz andere ist. Weil die gesamte Region gebeutelt durch den Niedergang von Kohle und Stahl jetzt durch den Hafen und die Züge aus China, die im wöchentlichen Rhythmus kommen, auch ökonomisch auflebt.“
Prof. Eberhard Sandschneider
Aber was darf man dafür in Kauf nehmen? Michael und Eberhard Sandschneider unterhalten sich darüber, wie deutsche Unternehmerinnen ihre Verantwortung für Menschenrechtsverletzungen auf die Politik abwälzen.
Michael möchte wissen, ob es nicht sowieso ein Nachteil von Demokratien ist, dass dort regelmäßig jemand neues an die Macht kommt. Xi Jinping müsse sich nicht darauf konzentrieren, in vier Jahren wiedergewählt zu werden. „Wir streiten – das ist die Lebendigkeit von Demokratie – über viele Probleme ohne Konsens herstellen zu können. Und in diesen langfristigen Fragen, wenn sie an Querdenker denken, ist ein Konsens in einer so differenzierten pluralistischen Gesellschaft wie unserer kaum noch möglich.“
Außerdem geht es um das Internet. Eberhard Sandschneider könnte sich vorstellen, dass sich dieses in zwei Räume aufteilen könnte. Google ist immer noch nicht ohne weiteres in China aufrufbar.
Michael spricht die russisch-chinesischen Beziehungen an. Eberhard Sandschneider erklärt, warum Russland nicht mehr als ein Transitland und Ressourcenlieferant für China ist. Außerdem veranschaulicht er, warum Russland nicht die gleiche Entwicklung wie China gelungen ist.
Abschließend geht es noch einmal um eine bestimmte Schwierigkeit, China zu verstehen: „Du willst China verstehen? Wird dir nie gelingen. […] Du bist kein Chinese. Das ist etwas, was wir nicht ändern können. Wir schauen aus westlicher Perspektive auf China.“
Zitate:
00:03:00 „Ich bin kein China-Fan.“
00:07:33 „Der Kommunismus ist eine Fassade. Darunter entwickelt sich das, was die Chinesen ‚sozialistische Marktwirtschaft‘ nennen, aber es ist eben eine eher marktwirtschaftlich getriebene Wirtschaftsordnung.“
00:11:27 „China ist überall!“
00:11:40 „Der chinesische Ansatz in Afrika konterkariert deutsche Entwicklungshilfe dramatisch und führt sie ein Stück weit auch ad absurdum. China kommt ohne politische Vorgaben, mit Infrastrukturmaßnahmen, die allerdings einer etwas anderen Regel folgen als unsere Ambition.“
00:17:20 „In China müssen sie nachweisen, dass sie Qualifikationen haben. Schauen sie sich nur an, wie der ein oder andere Bundespolitiker in sein Amt gekommen ist, ohne jemals mit dem Thema befasst worden zu sein mit dem er nun als Minister befasst ist.“
00:23:30 „Was immer die Spitzentechnologien 1435 waren: Die Chinesen konnten das, die Europäer noch nicht wirklich.“
00:27:40 „Westliche Werte kennt die Bevölkerung zum Teil nicht.“
00:30:22 „Ich höre immer wieder, dass in Hongkong jetzt die Demokratie zerstört wird. Das ist schlicht und ergreifend falsch. Hongkong ist keine Demokratie, Hongkong war auch nie eine Demokratie.“
00:41:20 „Wir sind ein bisschen Weltmeister im Klagen und wissen gar nicht, wie gut es uns geht.“
00:45:20 „Wenn Sie nach Duisburg kommen, werden sie feststellen, dass die Begeisterung für China eine ganz andere ist. Weil die gesamte Region gebeutelt durch den Niedergang von Kohle und Stahl jetzt durch den Hafen und die Züge aus China, die im wöchentlichen Rhythmus kommen, auch ökonomisch auflebt.“
00:49:45 „China setzt wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durchaus als Machtfaktor ein.“
00:56:40 „Wir streiten – das ist die Lebendigkeit von Demokratie – über viele Probleme ohne Konsens herstellen zu können. Und in diesen langfristigen Fragen, wenn sie an Querdenker denken, ist ein Konsens in einer so differenzierten pluralistischen Gesellschaft wie unserer kaum noch möglich.“
01:06:05 „Russland, um es mal hart zu formulieren, ist aus chinesischer Sicht, ein Juniorpartner.“
01:10:30 „Du willst China verstehen? Wird dir nie gelingen. […] Du bist kein Chinese. Das ist etwas, was wir nicht ändern können. Wir schauen aus westlicher Perspektive auf China.“