„Ich habe 2014 als Botschafter in Moskau oft gehört: ‚Euch europäische Krämerseelen bekommen wir schon auseinander dividiert. Ihr wollt doch alle nur Handel treiben, dann kommt ihr alle wieder an.‘ Das Gegenteil ist der Fall gewesen.“
Rüdiger von Fritsch
Höre den MachtWas!?! Podcast auf Apple Podcast, Spotify, Google Podcasts, Pocket Casts oder Deezer.
Rüdiger von Fritsch über klare Worte in der Diplomatie, persönliche Beziehungen zwischen Regierungschefs und die internationale Bedeutung Deutschlands
Der erste Botschafter (a.D.) ist im MachtWas!?!-Podcasts zu Gast. Rüdiger von Fritsch hat 34 Jahre im Auswärtigen Dienst gearbeitet. Er war nicht nur in den deutschen Botschaften in Nairobi, Warschau und Moskau tätig, sondern auch Vizepräsident des Bundesnachrichtendienstes (BND) und als Unterhändler, sogenannter Sherpa, beim G-8-Gipfel. Heute ist Herr von Frisch Partner bei Berlin Globel Advisors und berät Mandanten bei Themen rund um die internationale Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
„Ich hatte schon sehr stark den Eindruck, dass das Denken und Handeln von dieser geheimdienstlichen Prägung gelenkt und gesteuert ist. Und das ist der russische Präsident übrigens auch. Einmal KGB, immer KGB, wie er selbst einmal gesagt hat.“
Rüdiger von Fritsch
Im Podcast erzählt Rüdiger von Fritsch davon, wie dieser Karriere eine Rucksackreise durch die Welt und ein Geschichtsstudium vorangingen. Außerdem geht es darum, wie Vorurteile langsam sterben und was das damit zu tun hat, dass in Deutschland der Müll getrennt wird, was Russophilie in seinem Leben für eine Rolle spielt und warum man trotzdem Angst vor dem Kreml haben kann.
Agieren im Hintergrund: Geheimdienste und Sherpa
Rüdiger von Fritsch geht auf seine eigene Rolle beim BND ein. Er erzählt im Podcast, wie die Arbeit bei einem Geheimdienst eine Person verändern kann und warum man das ehemaligen Geheimdienstlern anmerkt.
„Zu versuchen, zu verstehen, wie sehen andere Menschen mein Land und warum? Und ein anderes Land zu versuchen zu verstehen und es in meinem Land zu erklären. Das ist im Grunde das, was ein Diplomat macht.“
Rüdiger von Fritsch
Als Sherpa hat Rüdiger von Fritsch die Verhandlungen, die auf dem ehemaligen G-8-Gipfel stattfanden, vorbereitet. Im Podcast bekommt ihr einen Einblick in die Räumlichkeiten, in denen über Malariabekämpfung in Afrika oder die Klimakatastrophe verhandelt und entschieden wird.
Michael möchte wissen, wie sich die Arbeitsweisen von Angela Merkel, Gerhard Schröder und Helmut Kohl unterscheiden. Rüdiger von Fritsch macht klar, dass „jeder Regierungschef aus Selbstinteresse exzellent vorbereitet ist und verpflichtet die Dinge gut zu kennen. Er riskiert ja wahnsinnig viel.“ Welche persönlichen Unterschiede aber doch hervorstechen, erfahrt ihr im Podcast. Überhaupt geht es darum, wie wichtig auch die Chemie zwischen Ministerinnen und Diplomaten ist, wenn es zu Verhandlungen kommt.
Vom Fluchthelfer von DDR-Bürgern zum Diplomaten in Osteuropa
Rüdiger von Fritsch erzählt, wie seine Erfahrung als Passfälscher und Fluchthelfer für seinen Cousin aus der DDR dazu geführt haben, dass er Interesse für den Diplomatenberuf entwickelt hat. Mit 32 Jahren war seine erste Station dann Polen. Rüdiger von Fritsch erklärt, welche wirtschaftlichen Aufgaben ein Botschafter abseits der Politik hat und welche Alltagsprobleme in einem anderen Land auftauchen können: „Das Letzte was man damals in Polen brauchte, war ein junger deutscher Diplomat, der versucht mit ihnen russisch zu reden. Das war sozusagen historisch betrachtet die Verbindung allen Übels.“
Michael und Rüdiger von Fritsch unterhalten sich über die unterschiedlichen Angestelltenverhältnisse im politischen Betrieb und wo der Diplomat hier überhaupt zu verorten ist: „Der Beamte ist ja unkündbar, das ist etwas was man ihm gerne vorwirft. Damit ist der aber auch frei, das ist das Gute. Und zwar frei seinen Rat zu geben. Ganz gleich ob der Chef angenehm oder unangenehm ist.“
Weht auf dem Roten Platz ein anderer Wind?
„Moskau ist unsere größte Botschaft weltweit: 350 Mitarbeiter.“, und genau hier hat Rüdiger von Fritsch sein Amt als Botschafter zu einer turbulenten Zeit angetreten: Als die Krim annektiert wurde. Im Podcast erzählt er, wie der damalige Außenminister Frank Walter Steinmeier ihn gefragt habe, ob er den Posten übernehmen wolle. Außerdem erfahrt ihr, welche Überlegungen man bei solch einem Ortswechsel anstellt und warum Rüdiger von Fritsch direkt zugesagt hat.
„Es ist in der Tat so, dass die wichtigen Themen im Kreml ganz eng an der Brust gespielt werden.“
Rüdiger von Fritsch
Rüdiger von Fritsch kommt im Podcast immer wieder auf seine persönliche Zuneigung zu Land und Leuten Russlands zurück. Trotzdem sieht er auch Gefahren, die vom Kreml ausgehen: „Ich finde es erschütternd, dass Russland für sich das Recht rausnimmt in Ländern, die früher Teil der Sowjetunion waren, ein besonderes höheres Mitspracherecht zu haben. Bis hin zu gewaltsamen Eingriffen, wie in der Ukraine.“
Michael möchte wissen, wie die Gespräche mit russischen Ministern ablaufen. Rüdiger von Fritsch erzählt, dass man zwar den Ton wahrt und sich gegenseitig wertschätzt aber trotzdem klare Worte benutzt: Eine Annexion ist eine Annexion.
Eigentlich wollen alle dasselbe
Der ehemalige Botschafter appelliert für entschlossene Reaktionen seitens der EU und der NATO. Dass Sanktionen gegen Russland nichts bringen würden, halte er für Nonsens. Er spricht darüber, wie Russland selbst erfolgreich mit Sanktionen gegen die Türkei vorgegangen ist. Alternativ gebe es nur zwei Alternativen: Gewalt oder gar keine Reaktion. Was Rüdiger von Fritsch als gelernter Historiker darüber denkt, hört ihr im Podcast.
Und wie läuft der Austausch mit den deutschen Politikerinnen? Rüdiger von Fritsch macht deutlich, dass ihm die Überparteilichkeit als politischer Beamter besonders wichtig sei. Ohnehin seien die Ziele doch meist dieselben. So würde beispielsweise jeder Frieden mit Russland wollen. Nur der Weg zum Ziel unterscheide sich und dann müsse gekonnte Kommunikation ins Spiel kommen: „Ich habe manche Abgeordnete der AfD, ich sag mal salopp, quasi bei mir aufs Sofa gezogen. Nach dem Motto: ‚Sie kommen hier nach Moskau, ich will ihnen mal erzählen, wie ich die Dinge sehe, weil ich weiß sie sehen sie sehr anders.‘“
Zum Abschluss des Podcast bedankt sich Rüdiger von Fritsch bei seiner Frau und erzählt welchen essenziellen Teil sie zu seiner Karriere beigetragen hat. Zu einer Karriere, die, wie er selbst sagt, ein Privileg ist.
Zitate:
00:04:11 „Zu versuchen, zu verstehen, wie sehen andere Menschen mein Land und warum? Und zu versuchen anderen Menschen mein Land zu erklären. Das ist im Grunde das, was ein Diplomat macht.“
00:08:26 „Das Bewusstsein in einem Dienst zu sein, seinem Land zu dienen. Das scheint mir sehr wichtig.“
00:16:04 „Ich hatte schon sehr stark den Eindruck, dass das Denken und Handeln von dieser geheimdienstlichen Prägung gelenkt und gesteuert ist. Und das ist der russische Präsident im übrigens auch. Einmal KGB, immer KGB.“
00:31:41 „Der Beamte ist ja kündbar, was gelegentlich kritisiert wird. Damit ist er aber auch in gewissem Sinne frei, das ist das gute. Und zwar frei seinen Rat zu geben. Ganz gleich ob der dem Chef angenehm oder unangenehm ist.“
00:34:36 „Jeder Regierungschef ist aus Selbstinteresse exzellent vorbereitet und verpflichtet die Dinge gut zu kennen. Er riskiert ja wahnsinnig viel.“
00:46:06 „Das Letzte was man damals in Polen brauchte, war ein junger deutscher Diplomat, der versucht mit ihnen russisch zu reden. Das war sozusagen historisch betrachtet die Verbindung allen Übels.“
00:52:21 „Moskau ist unsere größte Botschaft weltweit: 350 Mitarbeiter.“
00:53:57 „Deswegen ist die höchste Kompetenz, die eine Regierung über ein anderes Land besitzt, in der Regel im Ausland. Das heißt in den Botschaften.“
00:56:57 „Ich habe in den Jahren, die ich Botschafter war, eigentlich praktisch nie eine konkrete Anweisung bekommen, was ich zu tun habe.“
01:03:02 „Es ist in der Tat so, dass die wichtigen Themen im Kreml ganz eng an der Brust gespielt werden.“
01:08:41 „Ich finde es erschütternd, dass Russland für sich das Recht rausnimmt in Ländern, die früher Teil der Sowjetunion waren, ein besonderes höheres Mitspracherecht zu haben. Bis hin zu gewaltsamen Eingriffen, wie in der Ukraine.“
01:12:49 „Ich habe 2014 als Botschafter in Moskau oft gehört: ‚Euch europäische Krämerseelen bekommen wir schon auseinandergelegt. Ihr wollt doch alle nur Handel treiben, dann kommt ihr alle wieder an.‘ Das Gegenteil ist der Fall gewesen.“
01:17:21 „Ich habe manche Abgeordnete der AfD, ich sag mal salopp, quasi bei mir aufs Sofa gezogen. Nach dem Motto: Sie kommen hier nach Moskau, ich will ihnen mal erzählen, wie ich die Dinge sehe, weil ich weiß sie sehen sie sehr anders.“