„Du hast sicherlich auch Regulierungsbehörden, die den Coronavirus-Impfstoffen die höchste Priorität gegeben und bevorzugt daran gearbeitet haben.“
Kilian Guse
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Kilian Guse über das Geschäftsmodell der Pharmaindustrie, die Entwicklung von Impfstoffen und die Bedeutung der Gentherapie
Der Biotech-Unternehmer Kilian Guse ist im MachtWas!?!-Podcast zu Gast. Der studierte Pharmazeut hat sich nach der Universität gegen die Apotheke und für die Forschung entschieden. Nach mehreren Aufenthalten an Hochschulen auf der ganzen Welt hat Kilian 2012 sein eigenes Unternehmen gegründet.
Im Podcast sprechen Kilian und Michael über eben dieses (GeneQuine Biotherapeutics). Außerdem thematisieren sie den langen Weg, den ein Arzneimittel hinter sich hat, bis es irgendwann einer Patientin verabreicht wird. Michael und Kilian Guse schlüsseln auf, wie die einzelnen Schritte in der Forschung, dem Zulassungsprozess und letztendlich der Herstellung eines Medikaments ablaufen. Außerdem verrät Kilian Guse, was momentan das teuerste Arzneimittel der Welt ist.
Spezialisierung: Gentherapie
Kilian Guse hat ein Unternehmen gegründet, das sich auf die Heilung von nicht-genetischen Krankheiten (wie Arthrose) mithilfe von Gentherapie spezialisiert hat. Im Podcast erklärt er, wie das funktioniert und wo sich die Gentherapie von anderen Therapien unterscheidet.
Dabei ginge es nicht darum, die Gene oder das Erbgut einer Patientin zu verändern, sondern dem Körper neue DNA-Stränge hinzuzufügen.
Kilian Guse verrät auch, dass Umsatz überhaupt nicht das Ziel seines kleinen Unternehmens mit zehn Mitarbeiterinnen sei , sondern welche Ergebnisse man stattdessen anstrebt.
Wer entwickelt Medikamente?
Kilian Guse macht deutlich, mit welchen immensen Kosten und großem Zeitaufwand die Entwicklung von Arzneimitteln verbunden ist. Im Podcast wird unterschieden zwischen den Unternehmen, die forschen und denen, die nur herstellen und verkaufen.
„Dann hast du so Firmen, wie Hexal, Sandoz und Ratiopharm und deren Business ist es nur Generika zu machen. Also die machen keine eigene Arzneimittelentwicklung, keine Forschung. Da geht’s einfach nur darum, so billig wie möglich herstellen zu können.“
Kilian Guse
Für die Marktteilnehmer aus der letzteren Kategorie seien vor allem Generika wichtig. Das sind die Medikamente, die es in ähnlicher Form schon länger gibt und bei denen der Patentschutz abgelaufen ist. In diesem Fall können sich die Produzenten die aufwendige Marktzulassung größtenteils sparen. Kilian Guse erklärt, warum das so ist und ab wann man Generika auf den Markt bringen werden kann.
Wo verdient die Branche sonst noch Geld?
Geld wird allerdings nicht nur mit der Produktion und dem Vertrieb von Medikamenten verdient, sondern beispielesweise auch in der Forschung. Diese kann entweder zielgerichtet oder allgemein sein. Letzteres, die Grundlagenforschung, wird vor allem von Non-Profit-Organisationen übernommen. Das sind die Hochschulen und Forschungsinstitute, die im Gegensatz zu den Industrieunternehmen in der Regel auch keine Arzneimittel entwickeln.
Michael möchte wissen, ob in den Unternehmen auch eine Querfinanzierung anderer Medikamente durch die „Star“-Medikamente stattfindet.
Kilian Guse spricht auch über sein eigenes Geschäftsmodell. Im Podcast erklärt er, wie sein Unternehmen Arzneimittel entwickelt, um den eigentlichen Entwicklungsstand als Projekt weiterzuverkaufen. Eine Strategie für die Gründer kleinerer Biotech-Unternehmen ist es auch, das Unternehmen an einen großen Pharmakonzern zu verkaufen.
Ist es dann trotzdem noch möglich, dass ein junges Unternehmen wächst und seine Eigenständigkeit behält?
Kilian Guse erklärt, warum das bei BioNTech so passieren könnte. BioNTech hatte bereits vor der Zulassung des Corona-Impfstoffes eine beachtliche Größe und mit dem Branchenriesen Pfizer arbeite man aktuell nur zusammen, wird aber nicht von diesem übernommen. Dies sei jedoch eher eine Ausnahme.
Welche Krankheiten soll man denn heilen?
Kilian Guse beantwortet die Frage damit, dass das vor allem der Markt entscheide: „Letztendlich entscheiden das ja dann die großen Pharmakonzerne, weil die die Mittel haben, Arzneimittel auf den Markt zu bringen oder eben nicht. Und die gucken sich natürlich knallhart an, was sie damit verdienen können.“
Diese Marktorientierung kann mit dem „Leidensdruck“ einer Krankheit korrelieren, aber das muss nicht sein. Kardiovaskuläre Erkrankungen und Krebs würden immer gerne behandelt werden. Ein neuer Trend seien Krankheiten, die in alternden Gesellschaften immer relevanter werden.
Im Podcast spricht Kilian Guse jedoch auch von aufkommenden Veränderungen. Mittlerweile werden auch für seltene Krankheiten Arzneimittel entwickelt. Damit die Rechnung hier aufgeht, kann eine einzige Injektion zur Behandlung einer seltenen Augenkrankheit auch 800.000 Dollar kosten. „Das ist ein Preis, der wurde letztendlich verhandelt zwischen dem Arzneimittelhersteller und den Krankenkassenverbänden. Und man hat sich auf diesen Preis geeinigt, weil man annimmt, dass der Mehrwert, den dieses Arzneimittel gegenüber bisherigen Behandlungsmethoden (die es nicht gab) bietet […] dieses Geld wert ist.“
Wie einige Corona-Impfstoffe in weniger als einem Jahr durch einen eigentlich viel längeren Zulassungsprozess gesprintet sind
Kilian Guse erklärt im Podcast, wie die Zulassung eines Medikaments abläuft. In der präklinischen Phase arbeite man mit Zell- und Tierversuchen. In der darauffolgenden klinischen Studie gibt es drei Phasen. Zuerst schaut man nur bei gesunden Probanden nach möglichen Nebenwirkungen, anschließend wird die Dosierung variiert und die gewünschte Wirkung des Medikaments näher beobachtet. In Phase 3 werden dann große Bevölkerungsgruppen in die Studien miteingeschlossen. An dieser letzten Phase würde die Zulassung der meisten Arzneimittel scheitern.
„Warum ging das so schnell? Letztendlich muss man sagen: Es war nicht alles neu.“
Kilian Guse
Normalerweise kann dieser Prozess 15 Jahre dauern. Im Podcast erklärt Kilian Guse, warum das beim Corona-Impfstoff schneller ging: „Dann hast du auch sicherlich die Regulierungsbehörden, die die höchste Priorität den Coronavirus-Impfstoffen gegeben haben und bevorzugt daran gearbeitet haben.“
Dazu kommt, dass die grundlegende Technik bereits vorhanden war, dass jede Investorin momentan in den Kampf gegen Covid-19 investiert und dass eine Placebogruppe während einer Pandemie viel schneller Ergebnisse liefert als bei einer seltenen Infektionskrankheit.
Während die Zulassung schneller erfolgte, kann man nicht in allen Bereichen die Kapazitäten sofort hochfahren: „Die Herstellung ist sehr aufwendig. Es muss nach bestimmten Qualitätsstandards gemacht werden und es ist letztendlich ein biologischer Prozess, d.h.: Es ist machbar das alles hochzuskalieren aber bisher gab es einfach nicht genügend Herstellungskapazitäten.“
„Ich glaube, wenn man nur Geld verdienen will, dann muss man Investmentbanker werden oder so.“
Kilian Guse
Abschließend geht es noch darum, wo Pharmafirmen die „Alltagsmedikamente“ produzieren und wie man in Deutschland erkannte, dass der günstigste Paracetamol- oder Maskenpreis nicht immer ausschlaggebend sein sollte.
Kilian Guse spricht offen darüber, dass Umsatz und Gewinn in der Pharmabranche meist ausschlaggebend sind. Dennoch versuche man auch hier, die Welt ein bisschen besser zu machen.
Zitate:
00:13:54 „Im Schnitt braucht ein Arzneimittel vom Start bis zur Marktzulassung ungefähr zehn bis 15 Jahre.“
00:17:31 „Dann hast du so Firmen, wie Hexal, Sandoz und Ratiopharm und deren Business ist es nur Generika zu machen. Also die machen keine eigene Arzneimittelentwicklung, keine Forschung. Da geht’s einfach nur darum, so billig wie möglich herstellen zu können.“
00:21:49 „Da profitieren viele davon, aber sicherlich auch die Patienten.“
00:31:38 „Der Investor investiert in eine Firma wie uns, weil er will, dass die in drei bis vier Jahren verkauft wird an eine große Pharmafirma.“
00:35:05 „Letztendlich entscheiden das ja dann die großen Pharmakonzerne, weil die die Mittel haben Arzneimittel auf den Markt zu bringen oder eben nicht. Und die gucken sich natürlich knallhart an, was sie damit verdienen können.“
00:38:40 „Das ist ein Preis, der wurde letztendlich verhandelt zwischen dem Arzneimittelhersteller und den Krankenkassenverbänden. Und man hat sich auf diesen Preis geeinigt, weil man annimmt, dass der Mehrwert, den dieses Arzneimittel gegenüber bisherigen Behandlungsmethoden (die es nicht gab) bietet […] dieses Geld wert ist.“
00:45:21 „Warum ging das so schnell? Letztendlich muss man sagen: Es war nicht alles neu.“
00:47:20 „Dann hast du auch sicherlich die Regulierungsbehörden, die die höchste Priorität den Coronavirus-Impfstoffen gegeben haben und bevorzugt daran gearbeitet haben.“
00:58:26 „Die Herstellung ist sehr aufwendig. Es muss nach bestimmten Qualitätsstandards gemacht werden und es ist letztendlich ein biologischer Prozess, d.h.: Es ist machbar, das alles hochzuskalieren aber bisher gab es einfach nicht genügend Herstellungskapazitäten.“
01:06:35 „Ich glaube, wenn man nur Geld verdienen will, dann muss man Investmentbanker werden oder so.“