„So grundsätzlich wüsste ich jetzt spontan nicht, was wir von der FDP lernen könnten.“
Janine Wissler
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Janine Wissler über ihr Verhältnis zum Verfassungsschutz, Linke in Ost und West und die mögliche Grün-Rot-Rot-Koalition mit SPD und Grünen
Mit Janine Wissler ist die eine Hälfte der Doppelspitze der Linken im MachtWas!?!-Podcast zu Gast. Erst nach der Aufnahme des Podcasts wurde bekanntgegeben, dass Janine Wissler als Co-Spitzenkandidatin für die Partei Die Linke zur Bundestagswahl 2021 antritt.
Als hessische Landtagsabgeordnete und Fraktionsvorsitzende kritisiert sie die schwarz-grüne Politik in ihrem Bundesland. Im Podcast geht es um Pharmariesen und Energiekonzerne und deren Kompatibilität mit Demokratien. Im Podcast geht Janine Wissler auf ihre ehemalige Aktivität bei den, vom Verfassungsschutz beobachteten, Gruppierungen Marx21 und der Sozialistischen Linken ein. Gleichzeitig verrät sie, warum sie vom Verfassungsschutz nicht viel hält.
Außerdem geht es um Wahlkampf, Kompromissbereitschaft in Sondierungsgesprächen, die Pandemie als Armutstreiber und soziale Gerechtigkeit: „Ganz klar: Wir brauchen eine Umverteilung von oben nach unten. Sowas wie Milliardenvermögen, die kann sich kein Mensch erarbeiten. […] Das ist die Arbeit anderer Leute, die sich da angeeignet wird und Spekulation auf den Finanzmärkten.“
Das Grundgesetz ist nicht nur die parlamentarische Demokratie
Janine Wissler spricht über ihre ehemalige Mitgliedschaft im Netzwerk Marx21 innerhalb der Partei. Die Gruppierung wird vom Verfassungsschutz beobachtet und Janine Wissler ist mittlerweile nicht mehr bei Marx21. Dennoch macht sie klar, dass eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz noch lange kein ausreichendes Zeichen für einen Makel an einer Gruppierung ist.
Als Mitglied des NSU-Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag habe sie lange genug in die Abgründe dieser Behörde geblickt: „Wir dürfen ja nicht vergessen: Das Bundesamt für Verfassungsschutz wurde bis vor nicht allzu langer Zeit von einem rechten Verschwörungsideologen namens Hans-Georg Maaßen geleitet.“
Gesellschaftliche Veränderungen würden nicht nur über Parlamente und Regierungen erreicht. Janine Wissler erklärt im Podcast, warum es nicht ausreicht, alle vier Jahre ein Kreuz bei einer Partei zu setzen. Die Einmischung der Bevölkerung und Presse in vielfältigen Formen gehöre genauso dazu: „Ohne die Arbeiterbewegung gäbe es keinen Achtstundentag. Ohne die Frauenbewegung kein Frauenwahlrecht und die Fortschritte bei der Emanzipation. Wenn Schwule und Lesben nicht Jahrzehnte für Gleichstellung gekämpft hätten, gäbe es nicht die Ehe für alle.“
„Finde ich, gibt es im Grundgesetz ’ne ganze Menge Grundrechte, die dort garantiert sind, die es auch gilt mit Leben zu füllen und an die immer wieder auch erinnert werden muss.“
Janine Wissler
Aus der relativen Unbekanntheit zur Parteispitze (und Spitzenkandidatin)
Natürlich konkurriere man mit anderen Parteien aber auch intern um die mediale Aufmerksamkeit. Janine Wissler sagt im Podcast jedoch auch, dass man auf Mitglieder der eigenen Partei nicht eifersüchtig ist. Jeder Talkshow-Auftritt einer Politikerin der Linken sei etwas Erfreuliches.
Janine Wissler geht darauf ein, wie man die eigene Bekanntschaft in den Medien und der Gesellschaft vergrößert. Dabei geht es speziell auch darum, wie sie selbst und Die Linke sich ein gewisses Standing in den westlichen Bundesländern aufgebaut haben.
„Natürlich, wir sind jetzt etwas über zwei Monate im Amt. Natürlich schafft man das in der Zeit nicht, jetzt eine bundespolitische Bekanntheit hinzubekommen, die vergleichbar ist mit Menschen, die das seit Jahrzehnten machen.“
Janine Wissler
Mit ihrer Co-Parteivorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow greift Janine Wissler auch die Zusammenführung von Ost- und Westdeutschland auf. Auf Bundesebene müsse man die lokal unterschiedlichen Positionen der Partei zusammenbringen: „Menschen in Bayern haben andere Erwartungen an Die Linke als Menschen in Thüringen. Vollkommen klar.“
Janine Wissler verdeutlicht, dass Ost- und Westdeutschland viele strukturelle Nachteile teilen. Insbesondere im Ruhrgebiet sei der Strukturwandel nach dem Rückgang der Kohleindustrie nicht zufriedenstellend aufgefangen worden. Dennoch gäbe es weiterhin ein klare erkennbares Gefälle zwischen alten und neuen Bundesländern. Menschen mit ostdeutschen Biografien sind selbst in Ostdeutschland kaum in unternehmerischen oder politischen Führungspositionen vertreten: „Es gibt in der Bundesrepublik, ich glaube, einen einzigen Universitätsresidenten, der aus Ostdeutschland kommt.“
Die Wichtigkeit der Unterscheidbarkeit von Parteien
Im Podcast sagt Janine Wissler deutlich, dass ihre Partei sich beim Wahlkampfprogramm nicht an anderen Parteien, sondern an Wählerinnen und Inhalten orientiere. In der Bundestagswahl 2021 möchte die Linke insbesondere Wahlkreise direkt gewinnen. Andere Ziele sind mehr gesellschaftlicher Natur. Niemand solle wegen Geldnot aus seiner Wohnung geschmissen werden und eine gute Schulbildung sollte für Arbeiterkinder genauso selbstverständlich werden wie für Akademikerkinder.
Natürlich stelle man bei diesen Themen auch Gemeinsamkeiten mit anderen Parteien fest. Wenn die Inhalte stimmen, könne auch eine Regierungsbeteiligung funktionieren. Janine Wissler macht klar, dass sich eine mögliche rot-rot-grüne Regierung auf Maßnahmen für Umverteilung, Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit einigen müsste.
„Weil wenn wir überlegen: ‚Wie machen wir das programmatisch so, dass wir möglichst mit SPD und Grünen zusammenarbeiten können?‘ Oder, dass da die Differenzen nicht mehr da sind. Dann können wir uns auch auflösen. Es gibt ja Gründe, warum wir uns gegründet haben als Partei.“
Janine Wissler
Michael möchte wissen, ob Janine Wissler sich da auch von Christian Lindners Aussage: „Besser nicht zu regieren als falsch zu regieren.“, inspirieren lässt: „So grundsätzlich wüsste ich jetzt spontan nicht, was wir von der FDP lernen könnten.“
Janine Wissler habe sich genau ihre Partei ausgesucht, weil andere Parteien sich oftmals nicht an ihre Wahlkampfversprechen hielten. Sie möchte in einer Regierungskoalition nicht ihre Glaubwürdigkeit aufgeben: „Bevor ich so regiere, wie die Grünen in Hessen mit der CDU. Ja, da bleibe ich lieber in der Opposition, weil ich bei Abstimmungen nicht gegen meine eigenen Überzeugungen stimmen möchte.“
Armutsbeschleuniger Pandemie
Zum Schluss des Podcasts geht es auch um die Pandemie und wie diese die ohnehin schon Benachteiligten härter trifft als andere. Janine Wissler spricht über die Korrelation zwischen Corona-Infektionen und Armut.
Im Podcast erzählt sie von einem Gefühl der Hilflosigkeit und Momenten des Verzweifelns, wenn man die richtigen Ideen habe aber keine Möglichkeit diese umzusetzen: „Natürlich gibt es gerade in dieser Coronapandemie den ein oder anderen Punkt, wo man gesagt hat: ‚Warum hört ihr nicht? Wenn schon nicht auf die Opposition, dann wenigstens auf die Wissenschaftler, die Expertinnen?'“ Michael erkundigt sich, warum Bodo Ramelow als linker Ministerpräsident von Thüringen nicht mehrere dieser richtigen Ideen umgesetzt hat.
Auch wenn Janine Wissler die Bundesnotbremse unterstützt, sei diese in vielen Punkten unzureichend. Insbesondere eine Pflicht zum Homeoffice fehle, wohingegen Ausgangssperren fragwürdig seien. Letztendlich habe die Pandemie die Schwachstellen hervorgehoben, die es auch vorher schon gab.
„Ich habe jetzt gerade von einer Familie gehört, die wohnen zu siebt in einem Zimmer. Und zwar seit zwei Jahren, seit einem Jahr ist Pandemie. […] Da ist an sowas wie Homeschooling überhaupt nicht zu denken.“
Janine Wissler
Zitate:
00:06:12 „Wenn wir jetzt zum Beispiel – Stichwort: Klimawandel – das 1,5-Grad-Ziel noch in irgendeiner Form erreichen wollen, dann brauchen wir ein radikales Umsteuern in der Wirtschaft. […] Und das bedeutet eben auch, dass man die Macht- und Einflussverhältnisse in diesem Bereich verändern muss, weil sich sonst einfach nichts verändert.“
00:07:57 „Ganz klar: Wir brauchen eine Umverteilung von oben nach unten. Sowas wie Milliardenvermögen, die kann sich kein Mensch erarbeiten. […] Das ist die Arbeit anderer Leute, die sich da angeeignet wird und Spekulation auf den Finanzmärkten.“
00:09:59 „Wir dürfen ja nicht vergessen: Das Bundesamt für Verfassungsschutz wurde bis vor nicht allzu langer Zeit von einem rechten Verschwörungsideologen namens Hans-Georg Maaßen geleitet.“
00:11:58 „Ohne die Arbeiterbewegung gäbe es keinen Achtstundentag. Ohne die Frauenbewegung kein Frauenwahlrecht und die Fortschritte bei der Emanzipation. Wenn Schwule und Lesben nicht Jahrzehnte für Gleichstellung gekämpft hätten, gäbe es nicht die Ehe für alle.“
00:15:19 „Finde ich, gibt es im Grundgesetz ’ne ganze Menge Grundrechte, die dort garantiert sind, die es auch gilt mit Leben zu füllen und an die immer wieder auch erinnert werden muss.“
00:18:50 „Natürlich, wir sind jetzt etwas über zwei Monate im Amt. Natürlich schafft man das in der Zeit nicht, jetzt eine bundespolitische Bekanntheit hinzubekommen, die vergleichbar ist mit Menschen, die das seit Jahrzehnten machen.“
00:22:35 „Menschen in Bayern haben andere Erwartungen an Die Linke als Menschen in Thüringen. Vollkommen klar.“
00:23:57 „Es gibt in der Bundesrepublik, ich glaube, einen einzigen Universitätspresidenten, der aus Ostdeutschland kommt.“
00:31:50 „Wir wollen ja Gesellschaft verändern. Und das wollen wir auch ausstrahlen.“
00:34:57 „So grundsätzlich wüsste ich jetzt spontan nicht, was wir von der FDP lernen könnten.“
00:36:27 „Bevor ich so regiere, wie die Grünen in Hessen mit der CDU. Ja, da bleibe ich lieber in der Opposition, weil ich bei Abstimmungen nicht gegen meine eigenen Überzeugungen stimmen möchte.“
00:43:57 „Der Afghanistaneinsatz wird jetzt nach zwanzig Jahren beendet in diesem Jahr. Die Truppe wird abgezogen. Jetzt kann man fragen: ‚Was hat’s denn gebracht?'“
00:44:52 „Weil wenn wir überlegen: ‚Wie machen wir das programmatisch so, dass wir möglichst mit SPD und Grünen zusammenarbeiten können?‘ Oder, dass da die Differenzen nicht mehr da sind. Dann können wir uns auch auflösen. Es gibt ja Gründe, warum wir uns gegründet haben als Partei.“
00:51:12 „Ich habe jetzt gerade von einer Familie gehört, die wohnen zu siebt in einem Zimmer. Und zwar seit zwei Jahren, seit einem Jahr ist Pandemie. […] Da ist an sowas wie Homeschooling überhaupt nicht zu denken.“
00:52:47 „Natürlich gibt es gerade in dieser Coronapandemie den ein oder anderen Punkt, wo man gesagt hat: ‚Warum hört ihr nicht? Wenn schon nicht auf die Opposition, dann wenigstens auf die Wissenschaftler, die Expertinnen?'“