„Ich habe, wann immer es möglich war, die Betroffenen vorher sogar persönlich angerufen und über die Schlagzeile informiert.“
Kai Diekmann
Höre den MachtWas!?! Podcast auf Apple Podcast, Spotify, Google Podcasts, Pocket Casts oder Deezer.
Kai Diekmann über Journalismus, Beziehungen zu Politikern und seine Arbeit bei der BILD Zeitung
Kai Diekmann, das ehemalige Gesicht der BILD, ist im MachtWas!?!-Podcast zu Gast. Der ehemalige Chefredakteur des bekanntesten deutschen Boulevardblatts hat nach der Schule erstmal als Zeitsoldat gearbeitet. Im Podcast verrät Kai Diekmann, wie er in die Presseabteilung der Bundeswehr gelangte und Springer Verlag auf ihn aufmerksam wurde.
Außerdem geht es um den Printjournalismus im Allgemeinen und die Bildzeitung im Speziellen. Michael und Kai Diekmann sprechen über Freundschaften zu Politikern und Gesprächen mit Diktatoren. Kai Diekmanns PR-Agentur Storymachine, Meinungsfreiheit und Fake-News bleiben ebenfalls nicht unerwähnt.
Mehr als Angst, Hass, Titten und der Wetterbericht?
Kai Diekmann war 16 Jahre lang an der Spitze der Bild. Den Großteil seiner beruflichen Karriere habe er im Springer Verlag verbracht: Praktikum, Volontariat, Korrespondent und Chefredakteur. Dort lief nicht immer alles reibungslos, so dass man auch mal etwas Abstand voneinander brauchte. Dennoch habe man wieder zueinandergefunden: „Als ich fünf Monate später in Panama ankam, kriegte ich ’nen Anruf des Axel Springer Verlages: ‚Wir haben den Vorstandsvorsitzenden rausgeschmissen. Du musst jetzt zurückkommen und wieder arbeiten.‘ So wurde ich Chefredakteur der Welt am Sonntag.“
„Bei Bild sind Sie in der gleichen Position wie ein Bundesligatrainer. […] Es kommt dort immer wieder zu Ereignissen, die die Tätigkeit dort vorzeitig beenden.“
Kai Diekmann
Kai Diekmann spricht im Podcast darüber, warum es ihm schwergefallen ist von der Chefredaktion der Welt am Sonntag zur Bild zu wechseln und warum er es dennoch getan hat. Die Bild habe er letztendlich verlassen, weil er dem Blatt nicht mehr guttat und umgekehrt.
Es geht um die besonderen Eigenheiten der Bild als ein „emotionales“ Massenmedium. Und warum Kai Diekmann findet, dass die FAZ als „rationale“ Zeitung, die wirkliche Welt nicht widerspiegelt. Michael möchte wissen, wo Kai Diekmann die Bild zwischen anderen Zeitungen, wie dem Spiegel oder der Zeit, einordnen würde. Das sei gar nicht so einfach, die Bild sei immerhin die grelle und schrille Posaune der Medien: „Das ist in etwa so, wie wenn Sie McDonald’s vergleichen mit ’nem Fischspezialitätenrestaurant.“
Wer bei der Bild war, kommt auch woanders weiter
Manche würden sagen, die Bild habe einen schlechten Ruf. Kai Diekmann erzählt im Podcast, dass das unter Kolleginnen keinesfalls so sei. Dort gebe es genügend Professionalität und Respekt untereinander. Schließlich sitzt man im selben Boot. Wie sieht denn so ein normaler Tag in der Bildredaktion aus?
„Schauen Sie sich doch heute einmal um. Der Chefredakteur der dpa, der größten deutschen Presseagentur, war stellvertretender Chefredakteur bei Bild. Der Chefredakteur vom Focus war Journalist bei Bild und Der Chefredakteur der Südwest Presse war vorher bei Bild.“
Kai Diekmann
Kai Diekmann erklärt, dass die Ausgangslage erstmal die gleiche sei wie in jeder anderen Redaktion: Was braucht die Leserin und was will sie wissen? Die Antworten auf diese Fragen würden sich dann eben von der Süddeutschen über die Gala bis zur Vogue unterscheiden. Im Podcast verrät Kai Diekmann, welche Veränderungen er bei anderen Zeitungen mitbekommt und warum diese vielleicht von der Bild inspiriert wurden.
Nochmal zu „Angst, Hass, Titten und dem Wetterbericht“: Was kommt in die Bild?
Fehler würden bei der Bild eher auffallen als in anderen Zeitungen, was aber nicht heiße, dass diese keine Fehler machen. Kai Diekmann erklärt auch, warum Helmut Kohls Habitus und Filmgeschmack im Flugzeug interessanter für ihn waren als die Handelsabkommen, die zwischenzeitlich in irgendwelchen Ländern vereinbart wurden. Und wie wird entschieden, was wichtig für die Bild ist? Die Chefredaktion bei der Bild sei ausreichend groß und kompetent, um viele unterschiedliche Themen bewerten zu können, sagt Kai Diekmann im Podcast.
Wo die Schmerzgrenze für eine Story in der Bild liegt, bleibt auch im MachtWas!?!-Podcast offen. Kai Diekmann spricht von absoluten Personen der Zeitgeschichte, die sich jegliche Berichterstattung gefallen lassen müssten. Außerdem erklärt er, warum man über das Privatleben von Horst Seehofer freimütiger berichten würde als über das von Angela Merkel. Letztere trage ihr Privatleben nicht nach außen. Würde die Bild also nie Geschichten über die Mutter der Bundeskanzlerin oder Angela Merkel im Badeanzug drucken? Kai Diekmann erklärt, dass Fehler eben passieren würden, man aber im legalen Rahmen bleibe.
Kann man es sich leisten, nicht mit der Bild zu sprechen?
Kai Diekmann findet, dass in einer Welt, in der jeder schrill und laut sein kann, die Kontrolle durch den Journalismus immer wichtiger wird. Außerdem geht es darum, warum es problematisch ist, wenn Privatunternehmen Politiker von ihren Plattformen ausschließen: „Mich würde wirklich interessieren […], was wäre eigentlich gewesen, wenn Donald Trump wiedergewählt worden wäre? Hätte Twitter sich dann auch getraut ihm den Saft abzudrehen oder hätten sie es nicht getan?“
Donald Trump wurde von Kai Diekmann auch schon persönlich interviewt. Genau wie die Autokraten Baschar al-Assad oder Wladimir Putin. Dabei verrät er uns, dass es mit lupenreinen Demokraten oftmals vielmehr Absprachen über Fragen gibt. Ein Interview mit dem französischen Präsidenten gleiche möglicherweise mehr dem Durchgehen eines bereits fertigen Frage-Antwort-Katalogs. Bei den zuvor genannten Autokraten und anderen Diktatoren sei das unkomplizierter.
„Und so hat er [Wladimir Putin] das auch gesagt […], wir würden ihn natürlich verteufeln und seine Politik verteufeln, aber insofern sei es aus seiner Sicht umso glaubwürdiger mit uns zu reden.“
Kai Diekmann
Freundschaften zu Politikern
Kai Diekmann spricht im Podcast über seine Freundschaft zu Helmut Kohl und anderen Politikern. Michael erkundigt sich, wie man es schafft, persönliche Sympathien nicht vor journalistische Objektivität zu stellen. Man dürfe nicht verwechseln, dass der Kontakt und zu den Mächtigen nichts mit dem persönlichen Einfluss zu tun haben. Dieser sei immer an die Zeitung als Institution hinter einem gebunden.
„Im Zweifelsfall würde heute die Assistentin von Angela Merkel nicht mehr abheben, weil ich eben schon seit fünf Jahren nicht mehr Chefredakteur von Bild bin.“
Kai Diekmann
Außerdem geht es im Podcast auch darum, dass eine Journalistin nicht für den Kollateralschaden einer Schlagzeile verantwortlich sei. Wenn Horst Seehofer ein „verlogenes“ Familienbild in der Öffentlichkeit propagiere und die Bild darauf hinweise, liegt es in der Verantwortung des CSU-Politikers, wenn sein Umfeld auch ungewollte Aufmerksamkeit erfährt. Kai Diekmann sagt aber, dass man aber niemanden hinterrücks vorführen würde: „Ich habe, wann immer es möglich war, die Betroffenen vorher sogar persönlich angerufen und über die Schlagzeile informiert.“
Zum Schluss geht es um Kai Diekmanns neue Gründerrolle in der PR-Agentur Storymachine. Diese helfe Unternehmen, Botschaften in den neuen „Informationsökosystemen“ zu kommunizieren. Damit würde eine gewisse Gruppe überhaupt erst erreicht werden: „So ist es für diese Generation selbstverständlich, dass ihnen die Inhalte, die für sie relevant sind, auf diesen Plattformen begegnen. Begegnen, die kommen nicht mal auf die Idee die zu suchen.“
Zitate:
00:05:44 „Als ich fünf Monate später in Panama ankam, kriegte ich ’nen Anruf des Axel Springer Verlages: ‚Wir haben den Vorstandsvorsitzenden rausgeschmissen. Du musst jetzt zurückkommen und wieder arbeiten.‘ So wurde ich Chefredakteur der Welt am Sonntag.“
00:07:43 “Bei Bild sind Sie in der gleichen Position wie ein Bundesligatrainer. […] Es kommt dort immer wieder zu Ereignissen, die die Tätigkeit dort vorzeitig beenden.“
00:13:34 „Das ist in etwa so, wie wenn Sie McDonald’s vergleichen mit ’nem Fischspezialitätenrestaurant.“
00:17:38 „Schauen Sie sich doch heute einmal um. Der Chefredakteur der dpa, der größten deutschen Presseagentur, war stellvertretender Chefredakteur bei Bild. Der Chefredakteur vom Focus war Journalist bei Bild. Der Chefredakteur der Südwest Presse war vorher bei Bild.“
00:23:20 „Vom Journalisten erwarte ich, dass er am Puls der Zeit ist.“
00:29:22 „Passieren Fehler bei der Bild, sind Fehler allein auf Grund der Größe der Buchstaben immer etwas auffälliger.“
00:41:43 „Mich würde wirklich interessieren […], was wäre eigentlich gewesen, wenn Donald Trump wiedergewählt worden wäre? Hätte Twitter sich dann auch getraut ihm den Saft abzudrehen oder hätten sie es nicht getan?“
00:44:48 „Und so hat er [Wladimir Putin] das auch gesagt […], wir würden ihn natürlich verteufeln und seine Politik verteufeln, aber insofern sei es aus seiner Sicht umso glaubwürdiger mit uns zu reden.“
00:49:38 „Und diese Gespräche, die ich dann anschließend in einer autorisierten Form zurückbekam, die also wirklich nichts mehr mit der Realität zu tun hatte. Also wirklich nichts mehr mit dem, wie das Gespräch auf dem Tonband tatsächlich abgelaufen war.“
00:53:48 „Ich habe, wann immer es möglich war, die Betroffenen vorher sogar persönlich angerufen und über die Schlagzeile informiert.“
00:58:36 „Im Zweifelsfall würde heute die Assistentin von Angela Merkel nicht mehr abheben, weil ich eben schon seit fünf Jahren nicht mehr Chefredakteur von Bild bin.“
01:09:08 „So ist es für diese Generation selbstverständlich, dass ihnen die Inhalte, die für sie relevant sind, auf diesen Plattformen begegnen. Begegnen, die kommen nicht mal auf die Idee die zu suchen.“