„Ich habe auch nicht selten bei Projekten am Telefon gesagt: ‚Weißt du? Ich zwing dich jetzt einfach mal zu deinem Glück.‘“
Oliver Wurm
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Oliver Wurm über Grundgesetz und Bibel als Magazin, Visionen und sein aktuelles Geheimprojekt
Der Journalist und Medienunternehmer Oliver Wurm ist im MachtWas!?!-Podcast zu Gast. Dieser Name lässt sich möglicherweise nicht direkt einordnen, das Grundgesetz-Magazin ist da schon bekannter. Oliver Wurm ist Chefredakteur und Herausgeber dieses Projekts und hat u.a. dafür im November 2020 das Bundesverdienstkreuz erhalten.
Im Podcast spricht Oliver Wurm darüber, wie er sich vom Journalisten zum Medienunternehmer entwickelt hat. Es geht um das Drucken von Heften mit Gänsehauteffekt und um Geld, Visionen und was masochistische Veranlagungen damit zu tun haben. Oliver Wurm geht auf seinen katholischen Hintergrund ein, beschreibt wie aus Medienprojekten Missionen werden und erzählt von seinen unterschiedlichen Herangehensweisen auf den sozialen Medien und dem aktuellen Geheimprojekt.
Haptik und das gedruckte Wort haben Bedeutung
Während große Zeitungs- und Medienhäuser sich zu digitalen Plattformen umstrukturieren, mischt Oliver Wurm die Printbranche auf. Wichtig sei ihm vor allem mit Herzblut bei einer Sache zu sein. Aber auch nicht zu lange bei derselben Sache zu bleiben: „Mich treibt an, wirklich neue Dinge zu machen: Magazine, die es so im Markt noch nicht gibt. Ich habe keine Lust ein weiteres more-of-the-same an den Kiosk zu bringen. Da suche ich mir lieber meine Lücken.“
„Meine Chance habe ich im Print 1995 gekriegt und dann bin ich mit Leib und Seele auch Printliebhaber geworden. Und das ist nun mal das, was ich am besten kann.“
Oliver Wurm
Oliver Wurm verrät im Podcast, wie es sich anfühlt, abgeschlossene Projekte loszulassen. Das sei nicht einfach und der richtige Zeitpunkt dafür müsse auch gefunden werden. Während sich der Fußball schon immer durch sein Leben gezogen hat, veröffentlicht Oliver Wurm aktuell auch eine Magazine-Reihe zu Olympia, er druckt die Bibel in Magazinform und demnächst auch ein Magazin zum Thema „Gedichte“. In Letzterem geht es grundsätzlich um klassische Bildung, aber auch um den Ehrgeiz, in kurzlebigen Zeiten mal wieder längere Texte auswendig zu lernen. „Ich lerne gerade tatsächlich 13 Gedichte auswendig.“
Es geht aber nicht nur darum, Gedichte um ihrer selbst willen zu lernen. Oliver Wurm möchte motivieren. Motto: Wenn er Gedichte auswendig lernen kann, schaffen das andere mit seinem Gedichte-Magazin auch.
Warum er solche Projekte nicht zu einer großen Marke machen möchte, erzählt Oliver Wurm im Podcast. Er habe sich abgewöhnt, sich Sorgen zu machen. Wenn dann doch einmal Projekte scheitern, sei das auch nicht schlimm: „Dann ergeben sich andere Felder.“
Nachhaltiges Selbstbewusstsein aber kein Harakiri
Oliver Wurms Magazin über Diego Maradona erschien Ende 2020; Nur wenige Tage vor dem Tod des argentinischen Fußballers. Oliver Wurm spricht darüber, wie er und seine drei Anzeigenkundinnen mit dem unerwarteten Ableben der Fußballlegende umgegangen sind. Und warum er wenige Tage nach der Todesnachricht ein zweites, komplett neues Magazin nachschob. Er betont, dass er die Erstausgabe lieber anders fortgesetzt hätte: „Die Idee war, Diego das Heft zum 60. Geburtstag zu schicken. Verbunden mit der Hoffnung, dass dieses Magazin die Tür für ein Folgemagazin öffnet. Für eines der ganz seltenen Maradona-Interviews.“
Oliver Wurms Habitus entspricht nicht dem eines typischen Journalisten. Er ist auch (oder vielleicht noch eher) ein Vertriebler und Marketingmann: „Das eigentliche Produkt zu erdenken und es redaktionell umzusetzen, nimmt […] wahrscheinlich nicht mal 20 Prozent der Zeit in Anspruch, die ich in ein solches Projekt investiere.“
Begeisterung und Leidenschaft würden bei Anzeigenkundinnen oft eher überzeugen als Excel-Tabellen und Media-Daten: „Ich habe auch nicht selten bei Projekten am Telefon gesagt: ‚Weißt du? Ich zwing dich jetzt einfach mal zu deinem Glück.‘“
Wie genau dieser Vertrieb funktioniert, erklärt Oliver Wurm am Beispiel des Grundgesetz-Magazins bis ins letzte Detail. Vom Kioskgeschäft bis zur Amazon-Listung, von der Idee individueller Sondereditionen für Unternehmen bis hin zum perfekten Platz in der Bahnhofsbuchhandlung: „Der Bahnhofsbuchhandel ist mein Premium-Vertriebsweg. Aber selbst wenn ich kein einziges Magazin am Hauptbahnhof verkaufen würde, wäre es wichtig, dort präsent zu sein. Weil den Titel dort viele Menschen wahrnehmen. Und die sitzen vielleicht später zuhause und sagen: ‚Das fand ich eigentlich gut.‘ Und bestellen es dann auf anderen Wegen.“
Die Erfolgsgeschichte des Grundgesetzes (als Magazin)
Oliver Wurm erzählt, wie Markus Lanz und Ranga Yogeshwar ohne es zu wissen den initialen Impuls für diese Idee gegeben haben. Mit symbolträchtigen Anzeigenpreisen und Zahlen, die einen besonderen Effekt auf Werbepartner haben sowie einer Auflage von 100.000 Exemplaren, wurde dieses Projekt dann verwirklicht.
Dabei war die Idee mit einer Auflage von angedachten 3.000 Magazinen ursprünglich deutlich bescheidener geplant. Oliver Wurm verrät, dass er unter dem Eindruck der rassistischen Verfolgungen und Angriffe auf Migrantinnen und Geflüchtete Anfang September 2018 in Chemnitz, alles nochmal überdacht habe.
„Aber es war alles gleich groß. Das heißt also: Hinten, die Erklärung des Finanzwesens oder Bund- und Ländersachen. All diese Dinge standen da genauso groß, wie ein Satz: Art. 1 Abs. 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und in dem Moment war mir klar: Dieser Satz braucht ‘ne Bühne.“
Oliver Wurm
Anschließend habe er einen Kredit aufgenommen und die Auflage um 97.000 Stück erhöht. Im Podcast erzählt Oliver Wurm, wie aus einem Medienprojekt schließlich eine Mission wurde: „Dann ruft dich plötzlich eine Oma aus Berlin an und sagt: ‚Ich brauche noch fünf Grundgesetze […], meine Enkelkinder kommen Weihnachten. […] Und wissen Sie: Die Oma ist irgendwann tot, aber die Verfassung, die bleibt.‘“
Für das Grundgesetz-Magazin wurde Oliver Wurm das Bundesverdienstkreuz verliehen. Michael möchte wissen, ob der Unternehmergeist damit langsam dem politischen Aktivismus weichen muss.
„Ich möchte kein politischer Aktivist, sondern ein politischer Aufklärer sein.“ Das sei auch dadurch deutlich, dass der einzige Kommentar zum Grundgesetz das Design des Magazins war. Oliver Wurm habe das Mitteilungsschreiben zum Bundesverdienstkreuz zuerst für eine Mahnung vom Finanzamt gehalten. Er erzählt, wie die Verleihung schließlich im kleinen Rahmen und bei Tee stattgefunden hat.
Kein Abbild Gottes, aber eine Illustration der Bibel
Seit März gibt es auch die Bibel als Magazin. Mit dem Erfolg des Grundgesetz-Magazins, geht natürlich auch ein gewisses Standing für Oliver Wurm einher. Wenn CEOs einem öffentlich auf Linked In gratulieren, können einen die Marketingverantwortlichen derselben Unternehmen nicht mehr ganz so leicht abwimmeln: „Offen sind die Türen trotzdem noch nicht. Ich muss sie nur nicht mehr eintreten.“
Oliver Wurm spricht im Podcast über den Schaffensprozess rund um das Bibel-Magazin, das er gemeinsam mit den Designerinnen Andreas Volleritsch und Michaela Pernegger entwickelt hat. Schon 2011 hat das Trio diese Idee erstmals umgesetzt und veröffentlicht. Damals gab es aber hauptsächlich Anerkennung in Form von Preisen, der wirtschaftliche Erfolg blieb aus.
„2011 haben Andreas und ich schon einmal das Neue Testament als Magazin an den Kiosk gebracht. Damals fast unter ferner liefen, gar nicht so beachtet.“
Oliver Wurm
Ein klassischer Nachdruck war jetzt nicht möglich, da seit 2016 eine neue Einheitsübersetzung existiert. Es ist daher Ende 2020 in über 600 Stunden Arbeit ein komplett neues Magazin entstanden.
Kommen jetzt die nächste Erfolgswelle und ein Grußwort vom Papst? Oliver Wurm zweifelt daran und weist auf eine generelle Grundskepsis aller im Printmarkt-Beteiligten hin. Gegen diese müsse mit jedem Projekt erneut angegangen werden. Für Oliver Wurm ist die Bibel auch keine Mission, wie es das Grundgesetz war.
Das nächste große Projekt oder erstmal Entspannung?
Oliver Wurm spricht über seine nächsten Arbeiten. Darunter befindet sich eine, die sogar ihn verunsichert. Dieses Projekt soll diesen Sommer erscheinen, ist aber noch sehr geheim. Dass er im Anschluss daran eine lange Pause einlegen wird, sei aber schon sicher.
Oliver Wurm spricht im Podcast auch über die Notwendigkeit einer Auszeit und Entspannung. Was seine persönlichen Urlaube mit Containerschiffen zutun haben, die in Kiel schon bremsen müssen, um langsam genug in den Hamburger Hafen einzufahren, erfahrt ihr im Podcast.
„Und dann ist es auch so, dass wenn du so aufgestellt bist, wie ich aufgestellt bin, dann kannst du auch nicht von heute auf morgen Urlaub einreichen.“
Oliver Wurm
Abschließend erklärt Oliver Wurm seinen Umgang mit den sozialen Medien. „Das klingt jetzt arroganter als es ist: Aber ich lese fast nie die Kommentare. Ich hau da was raus und dann ist das für mich auch aus dem Kopf […]. Das Ziel ist in Zukunft noch weniger zu diskutieren dort. Das ist kein Diskussionsmedium.“
Zitate:
00:07:05 „Meine Chance habe ich im Print 1995 gekriegt und dann bin ich mit Leib und Seele auch Printliebhaber geworden. Und das ist nun mal das, was ich am besten kann.“
00:13:41 „Also wirklich auch Dinge zu machen, die es noch nicht gibt. Ich habe auch keine Lust ein more-of-the-same auf den Markt zu bringen. Und da such ich mir da schon auch schnell meine Lücken.“
00:16:20 „Ganz aktuelles Beispiel: Ich lerne gerade Gedichte auswendig. Weil ich glaube, Gedichte auswendig lernen ist eh ‘ne tolle Sache. Du tust was für den Kopf und es ist auch irgendwie eine bürgerliche Bildung.“
00:20:20 „Plötzlich ergibt sich für mich ein Speaker-Feld, wo ich plötzlich gegen Honorar über Dinge spreche, die sich möglicherweise gar nicht verkaufen.“
00:24:02 „Also ich habe gedacht, dass wenn ich ihm das schicke, dass er ein 100-Seiten-Magazin zu seinem 60. Geburtstag bekommt, dann öffnet das möglicherweise für ein Folgemagazin die Tür, um eines der ganz seltenen Maradona-Interviews zu bekommen.“
00:27:06 „Ich habe auch nicht selten bei Projekten am Telefon gesagt: ‚Weißt du? Ich zwing dich jetzt einfach mal zu deinem Glück.‘“
00:31:40 „Mit einer richtigen Vision schaffst du natürlich auch Unmögliches.“
00:34:33 „Wenn ich kein einziges Magazin am Hauptbahnhof verkaufe, dann ist das schade […]. Aber so viele Menschen, die das sehen, […] die sitzen vielleicht später zuhause und sagen: ‚Das fand ich eigentlich gut.‘“
00:40:10 „Das eigentliche Produkt zu erdenken, es umzusetzen, sind […] wahrscheinlich eher 20 Prozent von dem was ich so am Tag mache.“
00:43:22 „Aber es war alles gleich groß. Das heißt also: Hinten, die Erklärung des Finanzwesens oder Bund- und Ländersachen. All diese Dinge standen da genauso groß, wie ein Satz: Art. 1 Abs. 1: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Und in dem Moment war mir klar: Dieser Satz braucht ‘ne Bühne.“
00:48:15 „Dann ruft dich plötzlich eine Oma aus Berlin an und sagt: ‚Ich brauche noch fünf Grundgesetze […], meine Enkel kommen Weihnachten. […] Und die Oma ist irgendwann tot, aber die Verfassung, die bleibt.‘“
00:51:42 „Und vielleicht heute, wo mehr Leute hoffentlich immer noch nach vorne denken, statt quer. Aber trotzdem zu viele querdenken und das Grundgesetz möglicherweise für sich in Anspruch nehmen. Da sage ich: ‚Nene, da stehen schon andere Sachen drin. Lest es mal durch.‘“
00:53:40 „Ich möchte kein politischer Aktivist, sondern ein politischer Aufklärer sein.“
00:56:25 „Offen sind die Türen trotzdem noch nicht. Ich muss sie nur nicht mehr eintreten.“
01:02:36 „Nämlich 2011 haben Andreas und ich schon einmal das Neue Testament als Magazin an den Kiosk gebracht. Damals fast unter ferner liefen, gar nicht so beachtet. Und damals war es aus einem Impuls heraus.“
01:18:00 „Bei unserer Bibel bist du deutlich um die zwei Euro und teurer. Und da musst du auch schon viele drucken. Also, wenn du davon jetzt nur 10.000 drucken würdest, dann könntest du das gar nicht verkaufen. Dann würdest du den Druckpreis gar nicht refinanziert kriegen.“
01:20:17 „Und dann ist es auch so, dass wenn du so aufgestellt bist, wie ich aufgestellt bin, dann kannst du auch nicht von heute auf morgen Urlaub einreichen.“
01:24:03 „Das klingt jetzt arroganter als es ist: Aber ich lese fast nie die Kommentare. Ich hau da was raus und dann ist das für mich auch aus dem Kopf […]. Das Ziel ist in Zukunft noch weniger zu diskutieren dort. Das ist kein Diskussionsmedium.“