„Wir glauben, dass man sehr erfolgreich Stationärgeschäft betreiben kann.“
Timm Homann
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Lügen Politiker und lassen große Familienunternehmen im Stich?
Timm Homann, der Geschäftsführer von Ernsting‘s family ist im MachtWas!?!-Podcast zu Gast. Seit sieben Jahren ist Timm Homann der CEO des Familienunternehmens. Vorher war er bei Otto und Peek & Cloppenburg tätig.
Im Podcast geht es um das Geschäftsmodell mit Ladengeschäften, welche auf Öffnungszeiten, Personal vor Ort und echten Kundenkontakt angewiesen ist. Jedem ist klar, dass das in Zeiten von Covid-19 schwierig ist. Timm Homann hält sich nicht zurück und macht seinem Ärger über die spezifischen Lockdown-Maßnahmen der Politik Luft. Außerdem sprechen Timm Homann und Michael über die strategische Ausrichtung von Ernsting’s family in den nächsten zehn Jahren, die drei „W“, Bodenständigkeit, Geschäfte in Innenstädten und die Zukunft nach dem Lockdown.
Auf keinen Fall wie ein Konzern wirken
In den rund 1.900 Filialen des Familienunternehmens arbeiten ca. 12.000 Mitarbeiterinnen. Im Podcast spricht Timm Homann darüber, was es genau bedeutet ein Familienunternehmen (oder in seinen Worten: einen Antikonzern) zu führen. Beispielsweise diskutiere man nicht über jede Kleinigkeit mit bewährten Partnern und wechsle bei kleineren Pannen auch nicht zum nächstbesten Dienstleister. Dazu kommt, dass das Unternehmen vieles selbst in die Hand nimmt: „Wir versuchen eigentlich alles was wir machen selber zu machen. Wir haben eigene LKW-Flotten, wir machen unsere Auslieferung selber. […] Alle unsere Kollektionen machen wir ausschließlich selber, also wir kaufen nicht von Lieferanten.“
„Wir machen rund 1,2 Milliarden Umsatz und sind sozusagen in unserem Selbstverständnis ein zutiefst mittelständisches Unternehmen.“
Timm Homann
Michael möchte von Timm Homann wissen, welche Rolle die Ernstings-Familie im Unternehmen spielt. Dreimal pro Jahr erklärt Timm Homann einem Beirat aus externen Fachleuten und Gesellschaftern, wo sich das Unternehmen aktuell befindet. Da geht es um Rendite und Reputation. Timm Homann sagt im Podcast, dass auch die Gesellschafter alles für die Belegschaft und das Unternehmen geben würden, selbst wenn sie dafür auf eigene Vorteile verzichten müssten.
„Ich nutze sehr, sehr viel Zeit, um an unsere Standorte zu kommen, um unsere Damen vor Ort zu besuchen.“ Als Chef darf man sich natürlich auch für die einfachen Sachen nicht zu fein sein: Im Laden vor Ort korrigiert der CEO auch mal die Position des Babystramplers. Diese Bodenständigkeit mache ebenfalls den Kern eines Familienunternehmens aus: „Wir kümmern uns ums Detail und wenn vorm Haupteingang ein Tempotaschentuch auf dem Boden liegt – sie glauben es nicht – dann bück ich mich und schmeiß es in den Mülleimer.“
Auch in der Zukunft: Online ist nur ein Standbein
Für Timm Homann werden die einzelnen Filialen der Kern von Ernsting’s Family bleiben. Auch wenn man die strategische Stoßrichtung weiter zu E-Commerce und Digitalisierung lenkt und einen Onlineshop hat, habe man keine Angst vor den Marktriesen: „Wir gehören nicht zu denen, die von Zalando oder Amazon was weggenommen bekommen.“
Um in der Digitalisierung voranzuschreiten, müssten sich die erfahrenen Mitarbeiterinnen von Ernsting’s family im digitalen Bereich fortbilden und die neuen IT-Profis, die Ernsting’s-family-Firmenkultur verinnerlichen. Außerhalb von Zeiten des Lockdowns generiere der Webshop ungefähr 20 Prozent des Umsatzes mit „brutalen Wachstumsraten“. Timm Homann macht jedoch klar, dass der Onlinehandel kostenintensiv ist.
„Wir glauben, dass man sehr erfolgreich Stationärgeschäft betreiben kann.“
Timm Homann
Timm Homann behauptet im Podcast, dass der gesamte Handel an manchen Standorten Geschichte sei, sobald eine Filiale seines Unternehmens schließen würde. Man habe einen Blick auf jede einzelne Filiale und einen entschiedenen Vorteil zur Konkurrenz: „Wir haben fast 2000 Fischkutter. Und wir können, wenn ein Standort nicht mehr funktioniert, die Diskussion beginnen, ob wir den Fischkutter reallokieren. […] Das ist ein Vorteil, den hat ein Karstadt in der Düsseldorfer Innenstadt nicht.“
Ist es unfair, dass Drogerien im Lockdown Babystrampler verkaufen dürfen?
Der Lockdown während einer Pandemie bedeutet für Timm Homann auch, dass die Politik es Müttern verbietet Kinderkleidung zu kaufen. Wenn dann auch noch Drogerien Kinderkleidung verkaufen dürfen, seine Filialen jedoch geschlossen bleiben, sei das nichts anderes als eine Enteignung durch den Staat.
„Dann müsst ihr in neuen Konzepten denken. Dann müsst ihr irgendwann mal anfangen zu sagen: ‚Okay! Montags, mittwochs, freitags ist Lebensmittel und Drogerie und dienstags, donnerstags und samstags ist Klamotte, Schuhe und Möbel.‘“
Tim Homann
Im Podcast rechnet Timm Homann vor, dass ein durchschnittlicher Händler von 100 Euro Umsatz am Ende noch 3 Euro Gewinn übrighabe. Vom Umsatz könne man also 97 Prozent Kosten abziehen. Ernsting’s family macht einen Jahresumsatz von 1,2 Milliarden Euro. Timm Homann sagt, dass das Unternehmen aktuell Beträge im dreistelligen Millionenbereich an Verlust einfahre. Das sei auf den Lockdown zurückzuführen.
„Also dieses Bild, dass wenn man nur rigoros genug vorgeht, man von diesen 97 Prozent Kosten in irgendeiner relevanten Weise herunterkommen kann, ist völlig illusorisch.“ Denn Designerinnen, Produktprüfer und Fachkräfte im Marketing müssen auch jetzt arbeiten und bezahlt werden. Timm Homann macht klar, dass sein Unternehmen (bis auf das Kurzarbeitergeld) keine staatliche Hilfe bekommen würde: „Und Sie haben gerade gesagt, man muss die Politik hören um das ausgewogen darzustellen. Da geb‘ ich Ihnen hundert Prozent Recht, mit dem Hinweis, dass die Politik das jeden Tag tut.“ (die Redaktion: Erst nach Aufnahme des Podcasts wurde beschlossen, dass auch größere Handelsunternehmen staatliche Unterstützung bekommen.)
Abschließend geht es um die Zukunft von Ernsting’s family nach Corona. Timm Homann erklärt, dass die Probleme des Unternehmens noch nicht beseitigt seien, wenn die Pandemie vorbei ist. Jeder geschlossene Monat würde das Sechsfache an Folgeschäden verursachen: „Wenn wir drei Monate schließen, dann dauert das drei bis fünf Jahre, bis das Thema gelöst ist.“ In einem ist sich Timm Homann jedoch sicher: Das Unternehmen geht zwar wirtschaftlich geschwächt, jedoch kulturell gestärkt aus der Pandemie.
Zitate:
00:06:42 „Wir versuchen eigentlich alles was wir machen selber zu machen. Wir haben eigene LKW-Flotten, wir machen unsere Auslieferung selber. […] Alle unsere Kollektionen machen wir ausschließlich selber, also wir kaufen nicht von Lieferanten.“
00:09:01 „Wir machen rund 1,2 Milliarden Umsatz und sind sozusagen in unserem Selbstverständnis ein zutiefst mittelständisches Unternehmen.“
00:13:51 „Ich nutze sehr, sehr viel Zeit, um an unsere Standorte zu kommen, um unsere Damen vor Ort zu besuchen.“
00:16:22 „Wir kümmern uns ums Detail und wenn vorm Haupteingang ein Tempotaschentuch auf dem Boden liegt – sie glauben es nicht – dann bück ich mich und schmeiß es in den Mülleimer.“
00:20:56 „Wir glauben, dass man sehr erfolgreich Stationärgeschäft betreiben kann.“
00:28:20 „Mich interessiert nur eine strategische Ausrichtung im Onlinewachstum, die eine hohe Stabilität in unseren Prozessen und damit auch unserer Wertschöpfung garantiert.“
00:31:10 „Wir gehören nicht zu denen, die von Zalando oder Amazon was weggenommen bekommen.“
00:36:24 „Wir haben fast 2000 Fischkutter. Und wir können, wenn ein Standort nicht mehr funktioniert, die Diskussion beginnen, ob wir den Fischkutter reallokieren. […] Das ist ein Vorteil, den hat ein Karstadt in der Düsseldorfer Innenstadt nicht.“
00:50:37 „Also dieses Bild, dass wenn man nur rigoros genug vorgeht, man von diesen 97 Prozent Kosten in irgendeiner relevanten Weise herunterkommen kann, ist völlig illusorisch.“
00:56:00 „Wenn ich manche Marktteilnehmer aus dem Spiel nehme, dann muss ich mich denen gegenüber anständig verhalten.“
01:03:12 „Und Sie haben gerade gesagt, man muss die Politik hören um das ausgewogen darzustellen. Da geb‘ ich Ihnen hundert Prozent Recht. Mit dem Hinweis, dass die Politik das jeden Tag tut.“
01:07:28 „Es geht darum manche Dinge einfach zu begradigen und das passiert nicht.“
01:08:00 „Dann müsst ihr in neuen Konzepten denken. Dann müsst ihr irgendwann mal anfangen zu sagen: ‚Okay! Montags, mittwochs, freitags ist Lebensmittel und Drogerie und dienstags, donnerstags und samstags ist Klamotte, Schuhe und Möbel.‘ Dann müsst ihr diese Frequenz verteilen, dann müsst ihr jeden ein bisschen überleben lassen.“
01:11:51 „Wenn wir drei Monate schließen, dann dauert das drei bis fünf Jahre, bis das Thema gelöst ist.“