„Man sieht vom Leben eines Politikers – wenn überhaupt – zwei bis drei Prozent.“
Dr. Dietmar Bartsch
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Dr. Dietmar Bartsch über sein Demokratieverständnis, Waffenlieferungen in die Ukraine und Sexismusvorwürfe innerhalb der Partei Die Linke
In dieser MachtWas!?!-Folge sprechen Michael und Dr. Dietmar Bartsch über die Werte des Politikers, das Verhältnis zwischen Ost- und Westdeutschen und sein persönliches Verständnis von Demokratie. Es werden die Fragen geklärt, mit welchen Aufgaben ein Fraktionsvorsitzender täglich konfrontiert wird und wie die Partei mit den derzeit verbesserungswürdigen Wahlergebnissen umgeht. Weiterhin positioniert sich Bartsch zu den Waffenlieferungen in die Ukraine und klärt über die Sexismusvorwürfe innerhalb der Linken auf.
Die wichtigsten Timecodes dieser MachtWas!?!-Folge:
- 00:03:22: Werdegang von Dr. Dietmar Bartsch
- 00:12:35: Positionierung in der Politik
- 00:16:06: Politischer Einfluss auf die Demokratie
- 00:25:56: Aufgaben eines Fraktionsvorsitzenden
- 00:30:57: Waffenlieferungen in die Ukraine
- 00:38:59: Wahlergebnisse und Problematiken der Linksfraktion
- 00:57:36: Sexismusvorwürfe innerhalb der Partei
Werdegang von Dr. Dietmar Bartsch
Nach einem kurzen Austausch über den FC Hansa Rostock beginnt das Gespräch mit dem Werdegang des Fraktionsvorsitzenden. Dr. Dietmar Bartsch ist in Stralsund geboren, studierte Wirtschaftswissenschaften und erlebte die Wende der Bundesrepublik hautnah. Diese Erfahrung – in zwei unterschiedlichen Systemen aufzuwachsen – prägten den Politiker nachhaltig, wie er selbst feststellt. Er setzte erfolgreich Fuß in die Verlagsbranche und übernahm als Geschäftsführer früh Verantwortung. „Aus heutiger Sicht sage ich: >Man, wie mutig warst du da<, ich habe es damals glaube ich auch gar nicht alles so überblickt, aber das war eine Zeit, wo ich unendlich viel gelernt habe“, sagt Bartsch. Seit 1977 engagierte er sich politisch, damals noch in der SED, und seit 2015 ist er Vorsitzender der Linksfraktion.
Was bedeutet Demokratie?
„Demokratie ist mehr: Demokratie gibt es auch in Betrieben, Demokratie muss es in der Gesellschaft geben – auch außerhalb von Wahlen – das ist für mich ein zentraler Punkt.“
Dr. Dietmar Bartsch
Bartsch wird in der Politik als Reformer bezeichnet und in der Podcastfolge erklärt er, was damit gemeint ist. Daraufhin kommt er mit Michael auf seine persönliche Positionierung in der Linkspartei zu sprechen und welches Verständnis er von Demokratie hat. Seiner Überzeugung nach muss sie ein zentrales Markenzeichen einer fortschrittlichen Gesellschaft sein. Und es gehe dabei nicht nur um Wahlen, die alle paar Jahre stattfinden, sondern Bartsch wünscht sich mehr Elemente direkter Demokratie, etwa Volksentscheide und -befragungen. Es sei die Aufgabe der Politik, unterschiedliche Entwicklungsrichtungen deutlich zu machen und die Bevölkerung in die Entscheidungen miteinzubeziehen. Als weitere Eckpfeiler einer zukunftsfähigen Gesellschaft nennt er neben Demokratie auch Chancengleichheit und Freiheit.
Aufgaben als Fraktionsvorsitzender
Michael interessiert zudem, welche Aufgaben täglich auf dem Tisch eines Fraktionsvorsitzenden liegen. Im Allgemeinen nennt Bartsch die Wahrnehmung der Wählerinteressen – die müsse organisiert werden. Außerdem gelte es, die Fraktion zusammenzuhalten, ein möglichst einheitliches Bild nach außen abzugeben und auch einen Maßstab an den Zahlen der Wahlergebnisse zuzulassen. Generell erklärt er, dass die meiste Arbeit hinter den Kulissen abläuft und nur ein Bruchteil an die Öffentlichkeit dringt: „Man sieht vom Leben eines Politikers – wenn überhaupt – zwei bis drei Prozent.“
Waffenlieferungen in die Ukraine
Bartsch spricht sich ganz klar gegen Waffenlieferungen in die Ukraine aus. Er sagt: „Am Ende des Tages wird es eine diplomatische Lösung geben müssen, es wird keine militärische Lösung geben können.“ Es sei falsch, solche Entscheidungen abhängig von innenpolitischen Interessen zu treffen. Zudem würden Lieferungen schwerer Waffen die Gefahren eines Dritten Weltkrieges eher befördern als einen Krieg zu stoppen.
Problematiken der Linksfraktion
Anschließend kommen die zwei auf die derzeitigen Wahlergebnisse der Linken zu sprechen. Diese lassen laut dem Fraktionsvorsitzenden zu Wünschen übrig und er gibt zu, dass die Partei in den letzten Jahren an Glaubwürdigkeit verloren hat. Dabei sei diese Eigenschaft im Zusammenspiel mit Geschlossenheit das Entscheidende einer politischen Formation. Bartsch gibt an, dass künftig strukturelle Veränderungen hinsichtlich einer besseren Zusammenführung durch weniger Gremien und eine programmatische Diskussion wieder zu besseren Ergebnissen verhelfen sollen.
Umgang mit Sexismusvorwürfen
Zuerst gab es Sexismusvorwürfe in der hessischen Landespartei der Linken, nun muss sich auch die Bundesfraktion Anschuldigungen stellen. Unserem Gast ist jedoch unklar, welche konkreten Vorwürfe dahinter stecken. Er berichtet, dass die Ursprungsvorwürfe im Laufe eines Gerichtsverfahren zurückgewiesen wurden und nun warte man auf weitere Stellungnahmen. Bartsch erkennt Sexismus als generelles Problem in der Gesellschaft an und gibt zu, dass es auch innerhalb seiner Partei besteht. Im Umgang damit müsse die Opfersicht umfassend eingenommen werden, Umstände aufgeklärt und Schlussfolgerungen daraus gezogen werden. In der aktuellen Situation der Linken hätte man sich schon externe Unterstützung gesucht, um Klarheit in die Sache zu bringen.
Zitate:
00:06:54: „Diese Wende-Erfahrung, auch die Erfahrung in zwei Systemen – wenn auch in dem einen nur relativ kurz – gelebt zu haben, ist schon eine, die ein Stück weit prägt.“
00:07:52: „Da ich ja in besonderer Weise mich mit der politischen Ökonomie des Kapitalismus beschäftigt habe, war ich eigentlich gut vorbereitet auf den Systemwechsel.“
00:09:05: „Aus heutiger Sicht sage ich: >Man, wie mutig warst du da<, ich habe es damals glaube ich auch gar nicht alles so überblickt, aber das war eine Zeit, wo ich unendlich viel gelernt habe.“
00:15:06: „Ich bin der festen Überzeugung, dass Demokratie ein zentrales Markenzeichen einer fortschrittlichen Gesellschaft sein muss.“
00:15:21: „Demokratie ist mehr: Demokratie gibt es auch in Betrieben, Demokratie muss es in der Gesellschaft geben – auch außerhalb von Wahlen – das ist für mich ein zentraler Punkt.“
00:29:47: „Man sieht vom Leben eines Politikers – wenn überhaupt – zwei bis drei Prozent.“
00:32:30: „Am Ende des Tages wird es eine diplomatische Lösung geben müssen, es wird keine militärische Lösung geben können.“
00:35:17: „Ich sehe in der Lieferung schwerer Waffen keine Lösung, weil es eher eine Atommacht in eine solche Bedrängnis bringt, dass sie Atomwaffen einsetzt.“
00:46:52: „Das Entscheidende ist doch für politische Formationen immer Glaubwürdigkeit und Geschlossenheit.“