„Russland tötet gezielt, sage ich jetzt mal zynisch. Andere Staaten töten etwas flächendeckender.“
Gerhard Conrad
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Gerhard Conrad gewährt wichtige Einblicke in die Arbeit eines Auslandsgeheimdienstes und die Politik dahinter
Der ehemalige Agent Gerhard Conrad des Bundesnachrichtendienstes (BND) ist im MachtWas!?!-Podcast zu Gast. Der promovierte Islamwissenschaftler gewährt euch einen Einblick in die Arbeit eines Auslandsgeheimdienstes.
Diese Folge des MachtWas!?!-Podcasts erscheint in zwei Teilen:
Teil 1: Nationalinteressen liegen auch weit außerhalb der eigenen Landesgrenzen
- Die besondere Arbeit der Nachrichtendienste innerhalb der EU.
- Wie Gerhard Conrad beim BND zum Geheimagenten wurde.
- Hybrid Threats: Söldner und andere sicherheitsbedrohende Phänomene.
- Weshalb niemand vom Mauerfall gewusst hat.
- Inwiefern Regulierungen die Handlungsfreiheit des BNDs beeinflussen.
- Wie Terrororganisationen rekrutieren und was das mit zerschlagenen Systemen und der NSDAP zu tun hat.
Teil 2: Warum Geheimdienste vieles gar nicht wissen
- Hamburgs unzureichende Vorbereitung auf den G20-Gipfel.
- Allmachtsfantasien der Querdenker-Bewegung.
- Die Zukunft von künstlicher Intelligenz in Geheimdiensten.
- Wie überraschend war die Machtergreifung der Taliban im Sommer 2021?
- Staatenbildung: „Bösartig gesagt: Afghanistan war kein Staat, sondern eine Gegend.“
- Deutschlands Nichtbeteiligung am Irakkrieg.
Deutschlands Nachrichtendienste: In der Bundesrepublik und außerhalb der EU
Gerhard Conrad wurde 1990 vom BND als Orientalist angeworben. Er war unter anderem zwischen 2002 und 2011 als Vermittler zwischen Israel und der Hisbollah tätig. Wie genau er diese Rolle verstanden hat und wie wichtig Geheimhaltung hierbei ist, erklärt Gerhard Conrad im Podcast.
Gerhard Conrad spricht über den Unterschied der deutschen Geheimdienste und zeigt auf, wo deren Zuständigkeitsbereich jeweils aufhört. „Bei EU-Partnern gehen wir als Bundesnachrichtendienst nicht spazieren.“ Über Umwege würde man sich aber auch indirekt einmischen. Beispielsweise, indem man dem spanischen Geheimdienst von russischer Sympathie gegenüber der katalonischen Unabhängigkeitsbewegung berichtet.
Nerven einen Agenten politische Regulierungen?
Michael möchte wissen, ob man beim BND schonmal neidisch zur NSA geblickt hat. Die dürften schließlich freier agieren. Gerhard Conrad evaluiert, wie sich weitreichendere Befugnisse des BNDs auf die Sicherheit auswirken könnten.
Oft ist Deutschland bei der Informationsbeschaffung auch auf andere Geheimdienste angewiesen. In deren Schuld stünde man aber nicht. „Natürlich sind diese Hinweise Abfallprodukte. […] Sie gucken in eine IS-Infrastruktur und sehen die ganzen Kommunikationen und stellen fest: ‚Ah, einer sitzt in Deutschland, ein anderer sitzt in Belgien, der nächste in Großbritannien oder eben in der Region.‘ […] Terrorismus ist ein gemeinsamer Gegner. Die Hilfsbereitschaft muss man nicht herbeireden, die muss man sich auch nicht erkaufen. Sondern: Wer was weiß, der sagt es.“
Wie können sich alle Geheimdienste zur Lage in Afghanistan getäuscht haben?
Gerhard Conrad erklärt, warum die Taliban Afghanistan so schnell wieder einnehmen konnten und weshalb das niemand gewusst hat. Kabul sei für viele Afghanen nicht die Hauptstadt für viele Afghanen und die dortige Regierung erst recht kein Objekt der Identifikation. Diese Nichtstaatlichkeit habe man häufig beschönigt. „Bösartig gesagt: Afghanistan war kein Staat, sondern eine Gegend.“
„Der Umstand, dass in Afghanistan Gesamtstaatlichkeit als solche eine Fiktion ist und auch schon immer war.“
Gerhard Conrad
Als es darum ging, was mit den örtlichen Hilfskräften der Bundeswehr passiert, seien in Deutschland gleichzeitig alle und niemand Ansprechpartner gewesen. Politische Verantwortlichkeit habe man vergebens gesucht: „Man hat ja bis zum Schluss keinen klaren Überblick gehabt über die Zahl der Schutzbedürftigen.“
Michael möchte wissen, ob das Bushs Ziel, Afghanistan nicht zur Ausbildungsstätte für internationalen Terrorismus verkommen zu lassen, erreicht wurde. Eine Tatsache stünde in jedem Fall fest: „Die Taliban haben einen Sieg errungen, der sie, wie jeden anderen auch, teuer zu stehen kommen wird: Die können das Land nämlich nicht regieren.“
Die Lüge um Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen
Deutschland hat sich nicht am Irakkrieg der USA und Großbritannien beteiligt. Im Podcast erklärt Gerhard Conrad vom BND, was das mit dem irakischen Informanten „Curveball“ zu tun hat. Dieser wollte sich offenbar wichtiger machen als er war. „Der Bundesnachrichtendienst ist dazu da, auf Grund der Erkenntnisse, die er sammelt, die Bundesregierung vor folgenschweren Fehleinschätzungen und Handlungen zu bewahren. […] Das hat im Falle vom Irak auch sehr gut geklappt.“
„Aber man ist ja auf der Suche – ‚man‘ heißt in diesem Fall, die USA aber auch Tony Blair in UK – nach ’nem Kriegsgrund. Da man ja ärgerlicherweise in der heutigen Zeit einen Kriegsgrund braucht. Und zwar einen, der halbwegs tragbar ist.“
Gerhard Conrad
Zitate Teil 1:
00:08:46 „Man klärt auf, insbesondere unter dem Aspekt der inneren Stabilität […]. Und zwar deswegen, weil Deutschland, wie alle anderen Staaten, da kein Zuschauer ist. Die Zeiten haben sich ja nun schon seit Langem geändert. Jeder Krieg betrifft auch immer unmittelbar deutsche Interessen.“
00:17:34 „Bei EU-Partnern gehen wir als Bundesnachrichtendienst nicht spazieren.“
00:23:36 „2002 bin ich zurückgekommen. 9/11 war also noch recht frisch. Damals baute man wie wahnsinnig Terrorismusabwehr und Aufklärungsabteilungen auf. Auch im BND. Da war ich dann recht kräftig involviert.“
00:29:06 „Auch waren seinerzeit natürlich die Möglichkeiten Stimmungen aufzufassen wesentlich begrenzter.“
00:30:40 „Das kann auf Dauer kein gutes Ende nehmen. Denn die Versorgungslage, die Infrastruktur – da brauchte man keinen Nachrichtendienst zu, das wusste man – der DDR war seit 1918 – sag ich mal ein bisschen provozierend – nicht weiter modernisiert worden. Das ist natürlich runtergewirtschaftet gewesen.“
00:37:30 „Sie müssen dann akzeptieren, dass sie einige Dinge nicht mehr machen dürfen, obwohl sie sie vielleicht technisch könnten. Und sie müssen dann klar die Konsequenzen aufzeigen […] und sagen: ‚Ihr lieben Politiker, wenn wir das jetzt so machen müssen, reduziert sich unsere Reaktionszeit, reduziert sich unsere Breite des Zugriffs, reduziert sich die Chance unknown unknowns zu identifizieren.'“
00:46:21 „Natürlich sind diese Hinweise Abfallprodukte. […] Sie gucken in eine IS-Infrastruktur und sehen die ganzen Kommunikationen und stellen fest: ‚Ah, einer sitzt in Deutschland, ein anderer sitzt in Belgien, der nächste in Großbritannien oder eben in der Region.‘ […] Terrorismus ist ein gemeinsamer Gegner. Die Hilfsbereitschaft muss man nicht herbeireden, die muss man sich auch nicht erkaufen. Sondern: Wer was weiß, der sagt es.“
00:50:06 „Terrorismus als solcher ist ja nun ein extrem vielgestaltiges Phänomen. Weltweit, in jedem Land unterschiedlich. „
00:57:27 „Sie wissen, wie viele in Deutschland in der NSDAP waren. […] Wenn sie die alle mit Feuer und Schwert rausgejagt hätten: Erstmal wäre da keiner übriggeblieben. Sie hätten die Bundesrepublik Deutschland gar nicht auf die Beine stellen können.“
Zitate Teil 2:
00:13:04 „Vieles ist auch mit künstlicher Intelligenz bisher nicht abzugreifen. Das mag vielleicht mal in zehn, zwanzig Jahren sein.“
00:18:16 „Der Umstand, dass in Afghanistan Gesamtstaatlichkeit als Solche eine Fiktion ist und auch schon immer war.“
00:21:09 „Bösartig gesagt: Afghanistan war kein Staat, sondern eine Gegend.“
00:36:08 „Al-Qaida hat dann nicht mehr richtig funktioniert. Was dann passiert ist, ist, dass die Ableger in der islamischen Welt ihr Unwesen begonnen haben. Meist eben angeleitet durch Geflüchtete aus Afghanistan.“
00:38:44 „Da haben auch hochrangige Generäle, die auch schon in Jugoslawien zugange waren, Parallelen gezogen: ‚Ja, wir dachten zu seiner Zeit bestimmte Befriedungs- und Organisationsmechanismen, die dort funktioniert haben – jedenfalls halbwegs – die müssten doch eigentlich auch in Afghanistan möglich gewesen sein.‘ Und das hat eben nicht hingehauen.“
00:43:46 „Man hat ja bis zum Schluss keinen klaren Überblick gehabt über die Zahl der Schutzbedürftigen.“
00:45:13 „Am Schluss muss es dann ganz schnell gehen. Dass man Freund und Feind gleichermaßen überrascht. Das ist, wie wir alle wissen, sehr gut gelungen.“
00:49:43 „Die Taliban haben einen Sieg errungen, der sie, wie jeden anderen auch, teuer zu stehen kommen wird: Die können das Land nämlich nicht regieren.“
00:55:03 „Aber man ist ja auf der Suche – ‚man‘ heißt in diesem Fall, die USA aber auch Tony Blair in UK – nach ’nem Kriegsgrund. Da man ja ärgerlicherweise in der heutigen Zeit einen Kriegsgrund braucht. Und zwar einen, der halbwegs tragbar ist.“
01:00:03 „Der Bundesnachrichtendienst ist dazu da, auf Grund der Erkenntnisse, die er sammelt, die Bundesregierung vor folgenschweren Fehleinschätzungen und Handlungen zu bewahren. […] Das hat im Falle vom Irak auch sehr gut geklappt.“
01:03:20 „Russland tötet gezielt, sage ich jetzt mal zynisch. Andere Staaten töten etwas flächendeckender.“