„Es gab gar keinen zweiten Idioten auf der Erde, der den Job angenommen hätte. Denn im Dezember ’89 Chef der Partei zu werden, die gerade verhasst war, wo sich alle dagegenstellten, das ist keine angenehme Aufgabe.“
Gregor Gysi
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Gregor Gysi über Liebe und Hass, Politik vor und nach der Wende und über Nelson Mandela, Fidel Castro und Barack Obama
In dieser Folge des MachtWas!?!-Podcasts besucht Michael Gregor Gysi im Bundestag. Gregor Gysi ist nicht nur außenpolitischer Sprecher und vielleicht das bekannteste Gesicht der Linkspartei, sondern hat noch weitere Berufe neben seiner Tätigkeit als Politiker: „Das heißt ich habe vier Berufe. Ich bin Politiker, Rechtsanwalt, Autor und Moderator, und das reicht mit 72 Jahren.“
Im Podcast geht es um legale und illegale Demonstrationen in der DDR, Gregor Gysis politische Karriere in Ost- und Westdeutschland, was eine Opposition ausmacht, Liebe und Hass, die missglückte Wende und Gespräche mit Fidel Castro, Barack Obama und Nelson Mandela.
Acht Tage Parteivorsitz der SED
Gregor Gysi erzählt im Podcast, wie er Vorsitzender der SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands) in der ehemaligen DDR wurde. Das hat nicht nur für Hass, sondern auch für Anerkennung gesorgt. Gregor Gysi beschreibt den Posten als schwierig, weiß aber auch um dessen Wichtigkeit für die eigene politische Karriere. Im Podcast spricht Gregor Gysi über seinen Start als Politiker während der Wendezeit.
Zu dieser Zeit wurde er in einigen Gaststätten nicht bedient und durfte gleichzeitig in einigen Kneipen nicht bezahlen: „Ich wurde damals auch im Osten entweder gehasst oder geliebt. Es gab nichts dazwischen.“ Gregor Gysi geht auf die wachsende Akzeptanz seiner Person ein. Zuerst im Osten, dann im Westen und letztendlich auch in Bayern.
Guter Politiker, falsche Partei?
Michael möchte von Gregor Gysi wissen, ob er auch schon mal mit der SPD geliebäugelt hätte. Daraufhin macht dieser klar, warum das aus unterschiedlichen Gründen nie in Frage kam. In die SPD zu wechseln, um Regierungsbeteiligung zu haben, sei vollkommen uninteressant. Die Opposition könne und müsse den Zeitgeist verändern. Gregor Gysi macht im Podcast klar, welchen Stellenwert Opposition und Regierung für ihn haben: „Erstens entscheidet nicht mehr die Merkel, sondern die Chefs von großen Banken und Konzernen. Die sind mächtiger als die Merkel. […] Zweitens ist die Aufgabe der Opposition eine andere.“
„Wer nicht kompromissfähig ist, ist nicht demokratiefähig. Und wer zu viele Kompromisse macht, gibt seine Identität auf.“
Gregor Gysi
Wenn man schon miteinander im Bundestag sitzt, spricht man selbstverständlich auch über den alltäglichen politischen Betrieb. Welche Rolle Kompromisse darin spielen und wie man gute von schlechten Kompromissen unterscheidet, erfahrt ihr im Podcast.
Gregor Gysi wird von Michael auch auf seine eigene politische Zukunft angesprochen, insbesondere mit Blick auf die Bundestagswahl 2021. Im Podcast lässt Gregor Gysi zwischen den Zeilen durchblicken, ob er wieder kandidiere. Eines sei jedoch sicher: „Ich geh ganz bestimmt nicht auf Liste, wenn dann kandidiere ich nur direkt.“
Was lief schief nach der Wende?
Wenn Gregor Gysi über das Zusammenwachsen von Ost- und Westdeutschland spricht, ist es ihm immer wichtig die negativen und positiven Seiten der Wende hervorzuheben. Im Podcast spricht er darüber, welche Sachen neben der höherwertigen Gleichstellung der Geschlechter man noch aus der DDR hätte übernehmen können. Das hätte zu einem erhöhten Selbstbewusstsein der Ostdeutschen nach der Wende geführt und in Westdeutschland hätte man die Wende mehr als eine Bereicherung empfunden: „Ein solches Erlebnis ist ihnen nicht gegönnt worden, das hat Konsequenzen bis heute.“
„Wenn sie die westliche Macht gehabt hätten, wären sie geworden wie die Wessis. Und wenn man im Westen die sowjetische Besatzungsmacht gehabt hätte, wären sie geworden wie die Ossis.“
Gregor Gysi
Michael und Gregor Gysi begrüßen jedoch auch, dass das ostdeutsche Selbstbewusstsein momentan wächst, ganz abseits von Pegida. Im Podcast nennt Gregor Gysi die vier wichtigsten Punkte, die nötig sind damit das Zusammenleben zwischen alten und neuen Bundesländern besser gelingt. Außerdem geht es um einmalige kurze Gespräche mit Angela Merkel über Ostdeutschland und darum, warum die Linke (und nicht die AfD) die wahre Interessenvertretung der Ostdeutschen sei.
Warum Gregor Gysi mit mehreren Virologinnen vor die Kamera gegangen wäre
Gregor Gysi erläutert im Podcast, wie er die Coronakrise angegangen hätte. Es hätte mehr Transparenz und mehr Virologinnen und Virologen vor der Kamera gegeben, um die Entscheidungslage der Bevölkerung verständlicher zu machen. Am Ende hätte er jedoch genau die Entscheidungen getroffen, die auch von der Bundesregierung gefasst wurden.
„Meines Erachtens nach sind wir ja jetzt ein Volk von 80 Millionen Virologinnen und Virologen.“
Gregor Gysi
Zum Schluss geht es noch darum, ob Gregor Gysi an seinem äußeren Bild in der Presse arbeitet und wie er mit dieser umgeht: „Über mich kriegt ein Medium nie Informationen gegen andere.“ Gregor Gysi spricht außerdem über seine Bewunderung für Nelson Mandela und Treffen mit Barack Obama und Fidel Castro: „Letztlich stellste fest, die kochen auch alle nur mit Wasser. Das ist dann wieder auch beruhigend.“
Wer wissen möchte, warum Michael noch ein kleines Problem mit einer Sektflasche beim Sicherheitsdienst des Bundestags hatte, hört sich den Podcast an.
Zitate:
00:03:10 „Das heißt ich habe vier Berufe. Ich bin Politiker, Rechtsanwalt, Autor und Moderator und das reicht mit 72 Jahren.“
00:07:10 „Es gab gar keinen zweiten Idioten auf der Erde, der den Job angenommen hätte. Denn im Dezember ’89 Chef der Partei zu werden, die gerade verhasst war, wo sich alle dagegenstellten, das ist keine angenehme Aufgabe.“
00:08:50 „Ich wurde damals auch im Osten entweder gehasst oder geliebt. Es gab nichts dazwischen.“
00:11:50 „Erstens entscheidet nicht mehr die Merkel, sondern die Chefs von großen Banken und Konzernen sind mächtiger als die Merkel. […] Zweitens ist die Aufgabe der Opposition eine andere.“‘
00:14:50 „Wer nicht kompromissfähig ist, ist nicht demokratiefähig. Und wer zu viele Kompromisse macht, gibt seine Identität auf.“
00:19:29 „Bei einer Partei, die ideologisch so geprägt ist, wird immer schnell über Verrat nachgedacht, wenn du irgendeinen Standpunkt nicht teilst.“
00:21:03 „Ich geh ganz bestimmt nicht auf Liste, wenn dann kandidiere ich nur direkt.“
00:23:14 „Lehrerinnen von der Grundschule, die arbeiten seit dreißig Jahren und kriegen weniger Gehalt, weil ihr Zeugnis nicht richtig anerkannt wird.“
00:24:05 „Ein solches Erlebnis ist ihnen nicht gegönnt worden, das hat Konsequenzen bis heute.“
00:26:02 „Ich bin ostdeutsch, wer ist mehr? Früher hat man seine ostdeutsche Herkunft etwas verheimlicht, heute überhaupt nicht mehr.“
00:26:54 „Weil es gibt ja auch eine Regel im Grundgesetz, das bei den leitenden Beamten alle Länder angemessen vertreten sein müssen. Die wird verletzt im Bezug auf den Osten.“
00:28:49 „Wenn sie die westliche Macht gehabt hätten, wären sie geworden wie die Wessis. Und wenn man im Westen die sowjetische Besatzungsmacht gehabt hätte, wären sie geworden wie die Ossis.“
00:29:24 „Meines Erachtens nach sind wir ja jetzt ein Volk von 80 Millionen Virologinnen und Virologen.“
00:34:59 „Über mich kriegt ein Medium nie Informationen gegen andere.“
00:37:27 „Letztlich stellste fest, die kochen auch alle nur mit Wasser. Das ist dann wieder auch beruhigend.“